Das Leben ist ein Kitschroman
weggeblasen.
Ich hatte die Wohnungstür kaum hinter mir zugemacht, als es klingelte. In der Hoffnung, dass es der Callboy war, der sich vor dem Zubettgehen schnell noch bei mir als Staubsaugervertreter outen wollte, drückte ich den Türöffner. Pustekuchen. Der Besuch stand bereits vor der Tür, war weiblich und auskunftsfreudig.
»Ich habe dich gehört und wollte noch sagen, dass jemand da war.« Ineke musterte mich. »Ist was mit dich?«
Ach wo. Nur ein winzig kleiner Frust, dass der schnuckeligste Mann, dem ich seit Jahren begegnet bin, nur für Geld zu haben war, und ich mein Leben bereits in den Sand gesetzt hatte, bevor es richtig losgegangen war. Sonst nichts.
»Ich bin ziemlich müde«, sagte ich und gähnte.
»Das habe ich gleich gesagt!«, rief Ineke.
»Bitte?«
»Also, da war ein Mann da«, sagte meine Nachbarin. Sie zog die Tür hinter sich zu und ging an mir vorbei zum Esstisch. »Ein sehr nette Mann. Aber dickköpfig und er wollte nicht glauben, dass du Charli heißt. Hat immer wieder gesagt, du heißt Charlotte. Er war ein bischjen anstrengend, aber echt süß.« Sie setzte sich. »So ganz genau konnte ich es nicht sehen, aber ich glaube, er war blond. Und hatte hübschje Augen.«
Ich holte Gläser und die angebrochene Flasche Wein aus der Küche und setzte mich ihr gegenüber.
»Weißt du, wer ich meine?« Sie schien ernsthaft interessiert.
»Das war Daniel, mein zukünftiger Kollege«, sagte ich und schenkte uns ein. »Das heißt, hoffentlich wird er es nicht, denn ich glaube, ich habe einen Riesenfehler gemacht.«
»Echt? Dann erzähl doch mal!« Ineke sah mich mit großen Augen an. »Ich meine, nur wenn du magst.«
Nach dem Dämpfer von vorhin war mir durchaus danach und ich schüttete Ineke mein Herz aus.
»Und jetzt glaubst du, dass du nichts mehr ändern kannst?« Sie konnte es gar nichts fassen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Was soll ich denn machen? Ich habe nur diesen ganzen BWL- und Marketingmist gelernt.«
»Erstens ist das kein Mist«, sagte meine Nachbarin streng. »Vielleicht im Augenblick für dich. Und zweitens gibt es gar keine Grund, warum du so weitermachen musst. Nur, weil du es mal so geplant hast.«
»Das haben mir meine Freundinnen auch schon gesagt. Aber Tatsache ist, dass meine Eltern mir was husten werden, wenn ich ihnen sage, dass ich etwas anderes machen will.«
»Deine Eltern haben dich das Leben geschenkt. Geschenkt, verstehst du? Was du damit machen willst, ist deine Entscheidung. Und glaube mir, sie werden eine Zeit lang schjimpfen, aber das hält nicht sehr lange.«
»Du kennst meine Eltern nicht.«
»Nein, aber ich kenne meine und da war das so.«
Moment mal. »Wie meinst du das?«
»Ich habe in Holland für Lehrer studiert. Und als ich meine Examen in die Tasche hatte, merkte ich, dass ich gar keine Lust hatte, mein ganze Leben vor die Klasse zu stehen und Schüler Dinge van Bio und Geschichte zu erzählen, die sie gar nicht interessiert.«
»Ehrlich?« Ich muss sehr doof aus der Wäsche geschaut haben, denn Ineke grinste breit.
»Ehrlich«, sagte sie. »Und du kannst dich vorstellen, was meine Eltern gesagt haben, als ich sie das mitgeteilt habe. Die sind total geflippt.«
»Und dann?« Ich konnte gar nicht fassen, dass ich gerade jemanden getroffen hatte, der mein großes Problem schon selber erlebt und bewältigt hatte. Wahnsinn!
»Dann habe ich erst gejobbt, und als eine Freundin mich angeboten hat, mit nach Deutschland zu kommen, um eine große Blumenladen zu übernehmen, habe ich Ja gesagt. Weil ich mal was ganz anders sehen wollte. Und ich hätte nie gedacht, dass das so viel Spaß machen würde.«
Ich holte tief Luft. »Aber was ist, wenn sich mir nicht so eine Chance bietet?«
»Jetzt sei nicht so ungeduldig«, sagte Ineke. »Das ist doch alles noch ganz neu, oder?«
Ich nickte. »Aber spätestens in sechs, sieben Wochen muss ich mich entschieden haben.«
»Wer sagt das?«
»Ich sage das.« Ich spielte mit dem Weinkorken. »Am ersten Juli werde ich in der Firma erwartet, und wenn ich bis dahin nichts habe ...«
»Du hast dich schjon entschieden, Charli. Glaube mir. Und wenn du bis Juli noch nicht das gefunden hast, wo dein Herz dabei ist, jobbst du solange bei meine Freundin und mich.« Ineke hob das Glas. »Du kannst unse Buchhaltung machen und im Laden aushelfen. Wir finden schjon etwas.«
Sie langte nach der Liste, die am Fenster lag. »Sind das erste Ideen?«
»Da habe ich nur mal ein paar Sachen zusammengeschmiert.«
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