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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Benning
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unter dem Arm, mittendrin.
    Ich ging in die Hocke, lehnte mich an die Hauswand und schloss die Augen. Das war es, was mich in einigen Wochen erwartete. Bis zur Rente. Shit. Obershit.
    Seit Tagen hatte ich weder an Daniel noch an Krause gedacht. Aber das hieß nicht, dass sie vom Erdboden verschwunden und meine Probleme gelöst waren.
    Ich musste zugeben, dass ich wieder auf dem besten Weg war, die ganze Situation zu verdrängen. Klar, ich hatte seit Samstag viele neue Erfahrungen gemacht, aber ich konnte nicht mein Leben lang in dieser Wohnung bleiben und alle paar Tage in der Garderobe jobben. Irgendwann würden Luise und Christian zurückkommen. Wenn ich die Stelle bei Krause nicht antrat, konnte ich auch die üppige monatliche Überweisung von meinen Eltern bald knicken. Und mein Geldpolster auf der Bank war jetzt noch ganz okay, aber auch bei größter Sparsamkeit war es unmöglich, jahrelang davon zu leben.
    Um mich herum war es nun mucksmäuschenstill. Ineke war ins Haus gegangen und der Hof lag ganz friedlich da. Ich stand langsam auf, streckte mich und langte nach dem Beutel mit meiner Kittelschürze, den ich in die Ecke gestellt hatte.
    Morgen, beschloss ich. Morgen würde ich alles ernsthaft angehen und mir überlegen, welche Alternativen es für mich gab.
    Ich wollte gerade zur Haustür gehen, als ich aus meinem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    »Was macht Tante Charlotte hier denn noch so spät?«
    Die tiefe, samtige Bassstimme erschreckte mich zu Tode. Himmel! Heute war nicht nur Internationaler Verstecktag, es war auch Europäischer Infarkttag und ich griff mir keuchend ans Herz.
    »Schlechtes Gewissen? Oder ist deine kleine Nichte wieder abhandengekommen?«
    »Sehr komisch«, stieß ich hervor. »Schleichst du dich immer so von hinten an?«
    Johnny Depp lachte. »Also ein schlechtes Gewissen.«
    Dieses Lachen verwandelte meine Beine in eine weiche Gummimasse und sein Duft stieg mir wieder in die Nase: Leder und Zedernaroma.
    »Entschuldige mal, ich wohne hier!«
    »Hinter dem Container?« Er stellte sich direkt neben mich und sah mich amüsiert an.
    »Nein, im Hinterhaus.«
    »Und? Hat die kleine Nichte bleibende Schäden von ihrem Ausflug übrig behalten?«
    »Nein, aber meine Schwester hat ziemlich hysterisch reagiert.«
    Der Schönling schüttelte verständnislos den Kopf. »Dass die Leute immer so überreagieren müssen. Ist doch ein Job wie jeder andere auch, oder?«
    Herrgott, Charli, jetzt frage ihn, ob er auch so einen Job-wie-wie-jeder-andere-auch hat. So eine Gelegenheit kriegst du nie wieder! Aber bevor mir eine passende Formulierung eingefallen war, stellte Mr Sex-Pur schon die nächste Frage.
    »Und warum hast du dich vorhin versteckt? Ärger mit den Nachbarn?«
    »Nein, da war ein Typ und den wollte ich nicht...«
    »Dein Ex?«
    »Nein!« Hopp! Jetzt frag ihn!
    »Das war nicht mein Ex. Und überhaupt, was machst du ... «
    Guter Anfang, doch leider funkte mir ein Anruf dazwischen und der Mann meiner Begierde klappte sofort sein Handy auf.
    »Ja?« Er strich sich eine längere Strähne hinter das Ohr und lehnte sich lässig an die Backsteinwand. Im Licht der Wandfunzel sah er noch besser aus, als ich ihn ohnehin schon in Erinnerung hatte.
    »Morgen um elf... Optimal ist das nicht. Da habe ich schon einen längeren Termin vereinbart.«
    Pause.
    »Und die kürzere Version steht nicht zur Debatte?«
    »Verstehe. Pass auf, ich schau, was sich machen lässt und melde mich, okay? Zwischendrin sollte ich schließlich auch mal wieder zum Schlafen kommen.«
    Scheiße. Ich brauchte meine Frage gar nicht mehr zu stellen, denn ich hatte die Antwort bereits. Und die lautete: Hände weg von diesem Typen. Obwohl ich eigentlich schon damit gerechnet hatte, war ich enttäuscht. Da traf man mal einen Kerl, der einen völlig heiß machte, und dann entpuppte er sich als Callboy. Die Arschkarte in Lederjacke. Immerhin ein Glück, dass ich es gleich erfahren hatte, bevor ich vor lauter Verknalltheit nicht mehr gewusst hätte, wo oben und unten war.
    »Ist gut«, sagte Mr Sex-Pur zum Schluss. »Ich schau noch kurz vorbei. Ciao!«
    Er klappte sein Handy zusammen und steckte es in die Tasche. »Tut mir leid, Tante Charlotte«, sagte er bedauernd. »Die Arbeit ruft.«
    »Dann mal ran.« Ich versuchte ein Lächeln. »Und viel Spaß dabei!«
    Frustriert schlappte ich die Stufen hinauf. Die Freude, dass ich meine Eltern ausgetrickst hatte, der Spaß, den ich mit Mechthild und Olga gehabt hatte – alles war wie

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