Das Leben ist ein Kitschroman
Abitur gemacht hatte und sich hier in der Stadt um eine Stelle als Koch bewerben wollte.
»Hast du eine Lehre gemacht?«, fragte ich, als wir zusammen am Tisch saßen und uns die gebackenen Nudeln teilten.
Andrea schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe sieben Semester Maschinenbau studiert, aber dann habe ich gemerkt, dass das nichts ist, was ich mein Leben lang machen möchte.«
Meine Güte, wenn es so was wie eine Schicksalsgöttin gab, legte sie sich im Augenblick ganz schön für mich ins Zeug und umgab mich mit Menschen, die mir zeigten, wie man das Leben in die eigene Hand nahm.
»Und wie bist du zum Kochen gekommen?«
»Das hat mich als Kind schon interessiert«, sagte Andrea. »Ich habe mich immer bei meiner Mutter in der Küche herumgetrieben und sie so lange mit Fragen gelöchert, bis sie mich hat mitkochen lassen. So habe ich erste Grundkenntnisse gelernt, alles andere habe ich mir selber beigebracht.« Er zeigte auf seinen Teller. »Hast du das gemacht?«
Ich lachte. »Nein, das war der nette Indonesier vorne in der Straße. Wenn ich da Hand angelegt hätte, würde es dir sicher nicht so gut schmecken.«
»Mit anderen Worten, du kannst nicht kochen?«
»Ich glaube nicht. Zu Hause hatten wir immer eine Köchin. Später habe ich es selber mal versucht, aber es endete jedes Mal in einem Fiasko. Seitdem ist jeder der Meinung, dass ich der absolute Kochdepp bin und daher lasse ich lieber die Finger davon.«
»Weil alle meinen, du kannst es nicht.« Belustigt zog er beide Brauen in die Höhe. »Und wenn jemand dir jetzt sagen würde, du bist beziehungsunfähig, würdest du dann auch die Finger von Männern lassen?«
»So 'n Quatsch. Natürlich nicht!«
»Eben.« Andrea verteilte den letzten Rest Nudeln auf die Teller. »Daher ist es durchaus möglich, dass du kochen kannst. Vielleicht sogar sehr gut. Es hat dir nur bisher niemand richtig gezeigt.«
So konnte nur einer reden, der noch nie mein lederzähes Gulasch auf dem Teller hatte.
»Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Leute deshalb unglücklich durch das Leben gehen«, fuhr Andrea fort. »Ich bin allerdings der Meinung, dass das Leben für so etwas viel zu kurz ist.«
»Zu der Erkenntnis bin ich auch schon gekommen«, sagte ich und erzählte ihm, wie ich hier gelandet war und mit welchen Problemen ich mich herumschlug. »Und jetzt habe ich Luises Job an der Garderobe übernommen und aufgrund einer Reihe chaotischer Ereignisse arbeite ich seit heute Morgen tagsüber in einer Tierarztpraxis.«
»Kennst dich wohl gut mit Tieren aus?«
»Kein bisschen«, gestand ich.
Andrea lachte. »Dann muss es also am Tierarzt liegen.«
Ich spürte, wie ich rot wurde. Marie hatte recht gehabt: Carsten sah mit seinen strubbelig kurzen Haaren richtig süß aus. Und als ich ging, hatte er mir tief in die Augen geblickt, was nicht ohne Nebenwirkungen geblieben war.
»Ha, ich habe recht!« Grinsend stellte Andrea die Teller zusammen und brachte sie in die Küche. »Aber schau nicht so traurig, Charli. Das klingt doch alles so, als wäre dein Leben im Augenblick schön!«
14
Als ich am Donnerstagmorgen aus dem Bett sprang, musste ich zugeben, dass Andrea recht hatte: Mein Leben war wirklich schön. Ich hatte heute zwar volles Programm, freute mich aber auf die Arbeit. Außerdem schien die Sonne und alles deutete daraufhin, dass es ein richtig schöner, warmer Maitag werden würde.
Auch Carsten war guter Dinge und begrüßte mich mit einem strahlenden Lächeln, als ich die Praxis betrat.
Er blätterte gerade im Terminkalenderbuch. »Wir müssen heute unbedingt die OPs, die für die kommenden Tage vorgesehen waren, verschieben oder an Kollegen weitergeben«, sagte er und klebte Post-it-Zettel auf die betreffenden Seiten. »Kannst du dich da gleich drum kümmern?«
»Mach ich«, sagte ich. »An welche Praxis soll ich verweisen?«
Carsten stellte sich neben mich und zeigte auf eine Namensliste. »Diese Kollegen können einspringen«, sagte er. »Die Leute sollen dann selber entscheiden, zu wem sie gehen.« Er stand nun so dicht bei mir, dass ich seine Körperwärme durch meinen Kittel hindurch spüren konnte.
»Alles klar?«
Ja. Wenn ich schaffte, meine Hormone zurückzupfeifen, war alles in bester Ordnung.
»Gut, dann mache ich mich für die Sprechstunde fertig.« Fröhlich pfeifend ging Carsten den Gang entlang und ließ mich völlig wuschig an der Empfangstheke zurück.
Ruhig Blut, Charli. Nur, weil du seit Ewigkeiten keinen Sex mehr hattest, musst du
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