Das Leben ist ein Kitschroman
nicht gleich hyperventilieren!
Ich setzte mich gerade auf meinem Stuhl hin, zog den Terminplaner her und griff nach dem Telefon. Erst die Pflicht, dann das Vergnügen!
Ich stellte aber fest, dass sich beides wunderbar verbinden ließ und fand im Laufe des Tages eine Menge über meinen neuen Chef heraus. Während wir gemeinsam Verbände wechselten, impften, Fäden zogen und Zehennägel schnitten, erfuhr ich, dass er seine breiten Schultern dem Rudersport verdankte, die Liebe zu Tieren von seinem Vater geerbt hatte, und dass er für schicke Designermöbel schwärmte.
Und nachdem unsere Hände sich bei der Arbeit immer wieder länger als nötig berührten, war ich mir sicher, dass er das auch für mich tat. Eine Tatsache, die mich durchaus beflügelte.
Gegen halb sechs hatten wir die meisten Termine erledigt und ich checkte gerade den Tageskalender für morgen, als die Tür aufschwang und sich eine aufgetakelte Endfünfzigerin mit blondierter Fönfrisur vor mir aufbaute. Sie stellte eine hellblaue Transportbox auf die Theke, aus der hysterisches Gekläffe drang, und sah mich herablassend an.
»Guten Tag«, sagte ich freundlich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Meine Kleine hat Probleme mit der Pfote.«
»Waren Sie schon mal bei uns?«, fragte ich, während ich den PC aus seinem Schlummerzustand holte.
Sie spitzte den hellrosa geschminkten Mund. »Selbstverständlich. Und es ist eilig.«
»Wenn Sie dann so freundlich wären und mir Ihren Namen verraten?«
»Frau Hopf weiß alles.«
»Frau Hopf liegt mit einer gebrochenen Schulter im Krankenhaus.«
»Von Brumshagen. Mit Salome.«
Als der Hund seinen Namen hörte, legte er noch einen Kläffgang zu und ich konsultierte den PC. Frau Hopf wusste tatsächlich Bescheid und hatte es auch genau dokumentiert:
Wie sich herausstellte, war Salome ein dreijähriger, übergewichtiger Yorkshireterrier. Bissig und hinterhältig, stand als Bemerkung daneben.
»Alles klar, Frau von Brumshagen«, sagte ich. »Setzen Sie sich doch bitte noch ins Wartezimmer. Ich rufe Sie gleich.«
»Meine Salome ist sehr sensibel und hält es in Arztpraxen nicht lange aus.« Die Frau starrte mich feindselig an. »Daher wäre es besser, wenn man sie sofort drannehmen könnte.«
Solche Leute hatte ich immer schon gefressen. »Das Wartezimmer ist da drüben und es ist ganz leer. Da wird sich Ihre Salome bestimmt gleich beruhigen.«
»Ich warte aber lieber im Flur«, schnappte Frau von Brumshagen zickig. Sie stöckelte zu den Klappstühlen, die im Flur an der Wand standen, stellte den Korb auf den einen Stuhl und setzte sich auf den anderen. »Also, beeilen Sie sich.«
Mir lag schon eine passende Bemerkung auf der Zunge, als ich Carsten rufen hörte. Daher warf ich ihr nur einen verächtlichen Blick zu und machte mich auf den Weg ins Behandlungszimmer.
»Kannst du bitte mal halten?« Carsten hatte einen fetten schwarzen Kater auf dem Tisch stehen, der mich anfauchte.
»Wo am besten?«
»Hier.« Er zeigte mir, wie man die Katze am Nacken packte. »Ich muss ihm die Ohren säubern und mit dem Duldungsgriff hält er schön ruhig.«
Vom Flur her klang wütendes Gekläffe und ich schaute über die Schulter. Mist, ich hatte die Tür nicht richtig geschlossen. »Soll ich sie eben zumachen?«, fragte ich, aber Carsten schüttelte den Kopf. »Pass lieber auf diesen Catcher auf.«
Das war eindeutig die falsche Entscheidung, denn das Kläffen wurde lauter und lauter und im nächsten Moment schoss eine mit bunten Schleifchen aufgetakelte Hunderatte ins Behandlungszimmer und umkreiste den Behandlungstisch wie ein Indianer den Marterpfahl.
»Wo kommt der denn her?«, rief Carsten.
»Sie hat ihn wahrscheinlich aus der Box gelassen!«
Ich spürte, wie der Kater alle Muskeln anspannte. Er fauchte wütend, und als ich vor Schreck den Nackengriff kurz lockerte, sprang er vom Tisch und stellte sich Salome in den Weg.
Der Hund war so verblüfft, dass er tatsächlich für einen Augenblick die Klappe hielt. Dann erkannte er den Ernst der Lage, drehte um und raste zurück in den Flur.
Der Kater zögerte nicht lang und setzte sofort zur Verfolgung an, und auch Carsten und ich rannten aus dem Zimmer.
Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie es weiterging.
Frau von Brumshagen stand, wild mit den Armen rudernd, mitten im Flur und schrie hysterisch den Namen ihres Lieblings. Der wiederum umkreiste zur Abwechslung die Beine seines Frauchens und der Kater tat es ihm nach. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und
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