Das Leben ist ein Kitschroman
nicht alle Zeit der Welt, mir eine völlig neue Person zusammenzubasteln.
Auch beim Handlungsablauf hatte ich mich weitgehend für die True Story- Variante entschieden: Bei der Protagonistin hatte es im Haus gebrannt, sie war bei ihrer Freundin untergekommen, traf dort bei der Suche nach ihrer kleinen Nichte den schönen Callboy, und so weiter und so fort. Ich war gerade dabei, mir zu überlegen, wie ich mir das Ende der Geschichte wünschte, als es klingelte. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel: Wenn das der Callboy war, hatte ich gleich das Happy End für die Story und voller Erwartung drückte ich auf den Türöffner.
Ich hörte, wie die Haustür unten ins Schloss fiel und jemand die Stufen hinaufhastete. Doch es war kein Herzklopfen verursachender Schwarzhaariger, sondern ein Blonder: Daniel.
»Kann ich dich mal kurz sprechen?«
Ich überlegte eine Sekunde lang, ob ich ihn so lange vor der Tür stehen lassen sollte, bis ich meine Unterlagen sicher verräumt hatte, aber ich entschied mich dagegen. Ich hatte die Nase voll vom Versteckspielen und wollte nicht länger vernünftig sein. Daher nickte ich und bat ihn herein.
»Es dauert auch nicht lange«, druckste Daniel herum. »Ich wollte mich nur mal bei dir ...«
»Dazu setzen wir uns doch am besten, oder?« Ich lotste ihn an den Tisch im Flur und legte die vollgeschriebenen Blätter auf einen Haufen. »Möchtest du was trinken?«
Daniel nickte. Vorsichtshalber schenkte ich ihm ein Glas stilles Wasser ein und setzte mich zu ihm.
»Tja, wie soll ich anfangen?« Daniel nippte an seinem Glas und sah mich unsicher an.
»Vielleicht beim Anfang?«, schlug ich vor.
Er grinste. »Gute Idee.« Dann nahm er einen weiteren Schluck und redete die nächsten Minuten ohne Punkt und Komma. Wie er immer wieder von meiner Mutter angerufen und aufgefordert wurde, sich um mich zu kümmern, und wie blöde er sich bei dem Essen vorgekommen war und überhaupt, es täte ihm alles schrecklich leid, denn er war gar nicht ernsthaft an mir interessiert, sondern hatte sich in der Zwischenzeit schrecklich in meine Nachbarin verliebt.
Während er das alles erzählte, spürte ich die Wut auf meine Mutter wieder aufflammen und ich hätte sie am liebsten auf der Stelle zur Schnecke gemacht.
»Bist du arg sauer auf mich?«, fragte Daniel kleinlaut.
»Quatsch!« Ich stand auf und holte zwei Weingläser und den Bordeaux aus dem Schrank. »Die einzige Person, die sich vor mir in Acht nehmen sollte, ist meine Mutter. Allmählich ist meine Geduld mit ihr echt zu Ende.«
»Tut mir leid, dass das alles so blöd gelaufen ist.« Daniel sah nun richtig unglücklich drein. »Ich hätte dir das von vornherein sagen sollen, aber dann ...«
»Mach du dir da mal keinen Kopf.« Ich drückte kurz seine Hand. »Da muss ich alleine durch.«
»Und was ich dich fragen wollte.« Daniel rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Hast du eine Ahnung, ob Ineke, ob sie denn auch ...«
»Ob sie dich mag?«, kürzte ich die Stotterei ab. »Und ob.«
Jetzt strahlte er über beide Wangen. »Echt?«
»Ganz echt«, sagte ich. »Und sag mal, kannst du dir vorstellen, später mal Kinder zu haben?« Die Frage war draußen, bevor ich nachdenken konnte.
»Unbedingt!«, rief Daniel. »Kinder finde ich klasse.«
Hätten wir schon wieder ein Problem gelöst. Ich schenkte uns Wein ein und bemerkte, dass Daniel zu meinen Romannotizen hinüberschielte.
»Was arbeitest du denn da?«
Ich legte ihm das Buch von der George hin. »Ich möchte einen Roman schreiben.«
»Echt? Das ist ja toll!«
»Das wird sich herausstellen.« Jetzt war ich dran zu erzählen und tat das ähnlich atemlos, wie er vorhin. »Ist jetzt nur noch die Frage, wie ich das Dr. Krause beibringe. Und meinen Eltern.«
Daniel kicherte und ich sah ihn irritiert an.
»Ich lache dich nicht aus«, sagte er. »Aber das Leben ist manchmal echt absurd.«
»Wieso denn das?«
»Weil ich ein ganz ähnliches Problem hatte«, sagte Daniel. »Nur anders herum. Meine Mutter ist Musikerin und mein Vater Maler. Und als ich ihnen damals mitteilte, dass ich BWL studieren wollte, waren sie völlig entsetzt und fanden das schrecklich spießig!«
»Echt?« Ich staunte Bauklötze. »Und du hast trotzdem dein Ding durchgezogen.«
»Na klar! Ich bin schließlich nicht auf der Welt, um die Träume meiner Eltern zu verwirklichen. Und mittlerweile haben sie das auch eingesehen.«
Mann, oh Mann. Man konnte es mit den Göttern halten, wie man wollte, aber im
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