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Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Titel: Das Leben ist ein listiger Kater. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
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Mittelmeer bis in den Indischen Ozean, von der Ägäis bis zum Schwarzen Meer.
    Er hatte in den Betten von tausend Campanile-, Ibis- und Kyriad-Hotels gelegen.
    Ich hatte unter den Ventilatoren von Hafenhotels geschwitzt, in denen es nach Frittierfett, Diesel, Schweiß und Tabak roch, von zweifelhaften Moskitonetzen vor Stechmücken und fliegenden Kakerlaken geschützt.
    Unsere Ohren waren nicht auf die gleichen Töne geeicht. In seinen klang noch das fröhliche Ploppen des springenden Korkens nach und das anschließende sinnliche Gluckern. Und in meinen hallte das hysterische Kreischen der Möwen, der Lärm der Motoren, die Rufe der Arbeiter auf den Kais. Er redete von Gärbehältern, malolaktischer Gärung, Vorklärung. Ich antwortete mit Hebekränen, Schiffsstabilisatoren und Seitenladern.
    Kurz, wir waren wie kleine Jungs: Wir verglichen unsere Murmelsammlungen.
    Am Ende dieses Kräftemessens nickte er beeindruckt und beglückt, als wäre er stolz auf mich.
    »Sag mal, du bist ja ein echter Weltenbummler!«
    »Ein Abenteurer, jawohl!«
    Wir alberten den ganzen Abend lang herum wie zwei junge Hüpfer, hellwach und leichtherzig. Wir spürten unsere Falten nicht mehr, wir hatten wieder alle unsere Haare auf dem Kopf, keinen Bauch mehr, kein einziges weißes Haar.
    Wir waren wieder zwanzig.

W under der Evolution: Das Pummelchen kann sprechen.
    Heute Morgen stand sie plötzlich in meiner Tür und rief: »He, Sie?«
    Ich blickte misstrauisch auf.
    »Kann ich mal den Computer haben?«
    Kein guten Tag, kein gar nichts.
    Ich liebe diese Art von zwischenmenschlichen Beziehungen, da werde ich sofort freundlich. Ich habe nebenbei auch verzeichnet, dass sie
den
Computer gesagt hatte, nicht
Ihren
Computer. Vielleicht meinte sie, er wäre vom Krankenhaus bereitgestellt, zur freien Verfügung. Ich schwankte zwischen verschiedenen Antworten: Träum weiter, Dickerchen – Da kannst du warten, bis du schwarz wirst – oder vielleicht:
What else?
, um ihr Englisch ein bisschen aufzufrischen.
    Schließlich sagte ich nur: »Ich brauche ihn selber. Tut mir leid.«
    Mit einer wegwerfenden Geste brachte sie deutlich zum Ausdruck, dass mein Standpunkt bedeutungslos war. Sie antwortete ungeniert: »Ja, aber ich muss mal schnell auf Facebook.«
    »Nein.«
    Sie seufzte, als wäre ich ein eigensinniges Kind, das keine Vernunft annehmen will, blieb stehen, wo sie war, und trat von einem Fuß auf den anderen, wahrscheinlich in der Erwartung, ich würde meine Meinung ändern.
    Ich überlegte noch, mit welchen wohlgesetzten Worte ich ihr nahelegen sollte, sich zum Teufel zu scheren, als die Krankenschwester mit einem breiten Lächeln und dem Pflegewagen hereinkam und trällerte: »Zeit zum Waschen!«
    Sie machte der Göre die Tür vor der Nase zu, nachdem sie im gleichen munteren Ton zu ihr gesagt hatte: »Komm ein bisschen später wieder, ja?«
    »Okay«, meinte sie.
    Ob
ich
einverstanden war, hat niemand gefragt.
     
    Ich nutzte die Waschaktion, um ein paar Erkundigungen einzuholen.
    »Hatte die Kleine einen Unfall?«
    »Die an der Tür stand? Das weiß ich auch nicht. Sie gehört jedenfalls nicht auf die Station. Wahrscheinlich ist sie eher im dritten Stock, ich hab sie schon öfter im Aufzug gesehen.«
    Das brachte mich nicht viel weiter.
    Die Krankenschwester heißt Myriam. Sie ist um die vierzig, vollbusig, lebhaft, lacht gern, redet laut, und zwar mit einem schönen südfranzösischen Akzent, der jede Silbe absetzt und das Ende der Wörter um Buchstaben verlängert, die gar nicht da sind. Das erinnert mich an meine Eltern. Da sie in meiner Aussprache okzitanische Spuren entdeckt hat, hat sie mich unter ihre Fittiche genommen und erzählt mir, wahrscheinlich, um mich zu unterhalten, ihr Leben in voller Länge und Breite. Ich danke ihr mit allen möglichen schmeichelhaften Anreden für ihre Fürsorge: dunkle Schönheit, junge Göttin, Augenweide, Salz meines Lebens.
    Sie kichert – daran ist mein Alter schuld. Wäre ich fünfzehn Jahre jünger, würde sie gurren. Ich bin also an jenem unseligen Wendepunkt angelangt, an dem ich für Frauen harmlos geworden bin und sie bestenfalls zum Lachen bringe.
    »Wie geht es Ihnen, Venus des Südens?«
    Sie gerät sofort in Fahrt: »Wissen Sie, die Leute sind doch wirklich unglaublich! Vorhin hat mir so ein Kerl einfach die Vorfahrt genommen, am Eingang zur Notaufnahme. Ich hupe ihn natürlich an! Was hätten Sie da getan?«
    Kommt drauf an.
    Mit zwanzig wäre ich ausgestiegen und hätte ihm

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