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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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sagen, das sei doch auch gut, wenn es wärmer würde. Etwa für den Weinanbau in Deutschland?
    »Ich stelle dem die Probleme gegenüber, die klar überwiegen. Weinanbau ist eines der ganz wenigen Dinge, von denen man sagen kann, dass sie wahrscheinlich besser werden.«
    Wenn der Anstieg der Emissionen bis 2200 so weitergeht wie bisher, bedeutet das acht Grad Erwärmung. Theoretisch. In einem Zeitungsbeitrag hat Levermann die These aufgestellt, dass acht Grad Erwärmung nicht möglich seien.
    Seine These ist: Unsere Gesellschaft und Wirtschaft, unser Wohlstand und alles, was wir sind und haben, bricht vorher zusammen. Nicht, weil wir den Klimawandel bekämpfen, sondern wenn wir ihn nicht bekämpfen. Die Erderwärmung wird auch gestoppt, wenn die Industriestaaten so weitermachen wie bisher. Denn sie werden es auf die Dauer nicht können.
    »Es gibt eine Grenze der Anpassung. Unser gesellschaftliches System kann sich nicht so stark anpassen.« Das heißt: Der Industriestaat funktioniert nicht mehr, die Ursache kollabiert unter ihren eigenen Folgen.
    Wie kommt er darauf?
    »Irgendetwas passiert dazwischen, etwas, das nicht mehr zu bewältigen ist. Aber ich kann nicht sagen, was tatsächlich passieren wird. Kann sein, dass die öffentlichen Haushalte mit dem Aufräumen nicht mehr hinterherkommen, wenn wir ständig Oderflut haben. Und die Rückversicherungen kein Geld mehr haben, weil wir letztes Jahr und vorletztes Jahr Oderflut hatten und im Sommer eine Hitzewelle Schäden und Tote gebracht hat. Dann kann der Staat irgendwann die Grundversorgung nicht mehr zahlen, auch nicht die Polizei und das Militär. Was passiert mit den Global Players, die auf Rückversicherungen angewiesen sind? Das ist so ein Primitivszenario, das meine Fantasie hergibt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie wir an diese Grenzen kommen.«
    Wenn man sieht, wie in Berlin schon ein »normal« kalter und vorhersehbarer Winter Chaos auf Schienen und Straßen auslöst und wie fragil das System ist, fragt man sich schon, wie eine Gesellschaft einem unvorhersehbaren Ereignis begegnen will oder einer Katastrophe wie New Orleans oder gar mehreren in relativ kurzen Zeitabständen. Schon nach Katrina war zu erleben, wie eine scheinbar in die US-amerikanische Demokratie eingebundene Landesmetropole mit staatlichen und kommunalen Behördenstrukturen sich in kürzester Zeit zumindest aufgegeben fühlte, wenn sie es nicht sogar war – und sich in Richtung Anarchie bewegte.
    Obwohl Levermann für die »Grundlagen« zuständig ist, hat er selbstverständlich auch eine Position in der Frage der »Lösungen«. Im Moment ist die Situation so, dass der CO 2 -Ausstoß weiter steigt. Je länger er das tut, desto radikaler muss der Umschwung erfolgen. Wird uns eine gesellschaftliche Bewegung retten? »Ich würde gerne von der Vernunftseite kommen, aber man muss sofort an China, Indien, Brasilien denken. Und auch wir in Deutschland kriegen vielleicht zehn Prozent der Grünen-Wähler dazu, dass sie für ihren eigenen Fußabdruck ernsthaft etwas tun. Das ist grade mal eine kleine Stadt in China.«
    Also?
    »In naher Zukunft muss die Wirtschaft ganz viel Geld mit diesem Umschwung verdienen. Das ist die einzige Kraft, die ich sehe, die das ansatzweise reißen könnte. Ich sehe nicht, wie das sonst gehen könnte.«
    Wenn die Wirtschaft will, wird auch die entsprechende Politik gemacht?
    »Sie kriegen dann die ganze Macht, auch die Lobbymacht, die die Wirtschaft zur Verfügung hat, für diesen Umschwung.«
    Und wir Bürger?
    »Wir haben zwei quasi demokratische Möglichkeiten als Bürger: das Wählen und das Kaufen. Das sind die Punkte, an denen es die Politik und die Wirtschaft schert, was wir denken.«
    Und dann sagt er noch: »Was jeder Einzelne denkt, ist die größte Macht, die wir haben.« Pause. »Hoffe ich.«
    Bei den FCKW-Sprayflaschen habe der Käufer klar signalisiert, dass er das nicht mehr wolle. Und dann war es weg. Entsprechend könne der Bürger beim Einkaufen klarmachen, dass er nachhaltige Produkte und weniger Energieverbrauch wolle. Dabei könne man vielleicht immer noch ab und zu »heimlich ins Steakhouse« gehen.
    »Es ist wichtiger, dass die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft wissen, dass wir das wollen, als dass wir es tatsächlich immer tun.«
    Weil sie dann ihre Strategien darauf abstimmten.
    Levermann macht kein Geheimnis daraus, dass er lieber vor Managern spricht als vor Schulklassen. Wenn man zwei Stunden mit ihm gesprochen hat,

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