Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
weiß man, warum: Er glaubt, dass es darum geht, dass die ihre Strategien ändern und dass er dazu beitragen kann, dass sie das tun.
»Ich habe in Marburg noch gedacht, ich muss nur richtig leben und meine Kinder richtig erziehen. Das ist meine Aufgabe, und dann wird das alles gut. Aber wenn man diese Zahlen sieht«, er klopft auf ein Papier, das vor ihm auf dem Tisch liegt, »dann ist das unsere Generation, die das hinkriegen muss, und nicht die nächste. Das Entscheidende muss bis 2015, spätestens 2020 passieren.«
»Wie argumentieren Sie vor Managern?«
»Den Wirtschaftsleuten erzähle ich nicht: Ihr müsst bessere Menschen werden. Die wollen auch nicht wissen, was wir denken, sondern was die Politik über das denkt, was wir ihr erzählen. Darum sage ich den Wirtschaftsleuten: Die Politik glaubt, was wir ihnen, den Wirtschaftsleuten, sagen. Wir müssen die auch nicht zu Gutmenschen erziehen, aber die konvertieren sofort, wenn sie eine Gelddruckmaschine wittern.«
Levermann hat kein Auto. Das ist keine große Sache für ihn, für die Manager dagegen schon. »Ich habe das schon gespürt, dass man da plötzlich nicht mehr so gehört wird, weil man in eine andere Ecke gehört.« Das ist ihnen suspekt, da wittern sie den alten Öko, der ihnen das Geschäft kaputt machen will wegen irgendwelcher Kröten oder Fledermäuse, die es zu schützen gilt.
Also erzählt er ihnen nicht, dass er kein Auto hat, sondern dass Klimaschutz »nicht inkompatibel ist mit dem, was sie den ganzen Tag wollen. Nämlich Geld verdienen«. Und lässt dabei keinerlei Parteipräferenz erkennen.
»Ich will sie erreichen, nicht bekehren. Dafür muss man sie abholen, wo sie sind.«
»Früher dachten Sie, es ginge darum, die Kinder richtig zu erziehen. Und heute?«
»Das ist sicher weiterhin nicht falsch, aber wichtiger ist jetzt die Mediatorenrolle. Es geht darum, der Wirtschaft und der Politik zu erklären, dass die bessere Welt verträglich ist mit ihren Wirtschaftsinteressen und einer weiteren Erhöhung der Lebensqualität.«
Ich sage: »Wirtschaftsinteressen zu steigern halte ich für ein Problem.«
»Wir kriegen das ohne die Wirtschaft nicht hin. Ich rede von Qualitätssteigerung. Es geht um die Definition von Wirtschafts wachstum. Im Moment ist das eine Zahl, die hochgeht, wenn der Hurrikan Katrina New Orleans zerstört. Wenn etwas kaputt geht, geht die Zahl hoch, das ist idiotisch.«
Was setzen Sie diesem Denken entgegen?
»Wir müssen nicht mehr Ressourcen verbrauchen, um das Bruttosozialprodukt zu erhöhen oder gar die Lebensqualität. Wir können das auch machen, indem wir den Ressourcenverbrauch verringern.«
Ich finde Levermanns persönliche Entwicklung spannend: von einem, der möglichst wenig in der Welt »aufträgt«, der im kleinen Kreis wirken will und hofft, dass es ein Durchdringen vom Einzelnen zum Allgemeinen gibt, zu dem, der erkennt, dass es nur andersherum eine Chance gibt; lieber mit Managern sprechen als mit Schulklassen, um über größere Einheiten zu wirken.
»Wo sind die Kinder in Ihrem Denkmodell?«
»Die muss man einfach robust machen. Die Welt wird rauer.«
»Was heißt das?«
»Man muss ihnen helfen, seelisch, geistig und körperlich robust zu werden, während man früher vielleicht eher gedacht hatte: Ich möchte, dass sie möglichst rein bleiben.«
»Kinder robust machen, das klingt nach individualistischem Überlebenskampf. Wie integriert man das globalgesellschaftliche Dilemma?«
»Das klingt unidealistisch, ist aber nicht so gemeint. Die Kin der müssen in der Zukunft zu ihrem Recht kommen: Das möchte ich. Deshalb versuche ich auf der großen Ebene so viel Klimaschutz zu betreiben wie möglich. Aber wenn mein Kleiner sagt, er will was machen, wo er wahnsinnig viel Geld verdient, dann widerspreche ich nicht, auch wenn das meinen Vorstellungen komplett widerspricht.«
»Warum nicht?«
»Ich bin da offen, was die mal machen wollen, weil ich nicht weiß, was wichtig sein wird. Die Zukunft wird anders sein, das ist klar, und wahrscheinlich rauer. Damit müssen sie umgehen können.«
Später, in der S-Bahn nach Berlin, geht mir die ganze Zeit ein Satz durch den Kopf, den ich aus dem Gespräch mitgenommen habe. Der Satz lautet: »Wer sich um die Zukunft seiner Kinder sorgt, muss jetzt dazu beitragen, dass sie eine bekommen.«
3
Wie ich den Klimawandel an mich ranließ
Ich kann nicht sagen, dass ich ein Aha- oder Erweckungserlebnis hatte im Sinne von: Ich sehe Vögel am Strand mit einem
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