Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
der Weg zum Discounter. Doch selbst da kann ich wählen und auf die Produkte zurückgreifen, die am wenigsten aufbereitet oder vorgefertigt sind.
Mein erster Besuch in einem Bioladen, damals, kurz nach dem Fall der Mauer, in Reinickendorf, nahe der ehemaligen Grenze zu Wilhelmsruh: Es war ein Erlebnis für mich. Ich hatte das Gefühl, einer anderen Lebensphilosophie zu begegnen. Alles war anders als in einem gewöhnlichen Supermarkt, die Regale waren aus Holz, es gab Produkte, die ich nicht kannte, und es duftete nach frischem Obst. Dort hörte ich das erste Mal etwas über Anthroposophen und Rudolf Steiner, kaufte Briefpapier aus ungebleichter Zellulose und entdeckte Biowaschmittel.
Ich ging unheimlich gern hin und habe mich auch oft mit dem Eigentümerpaar unterhalten, bevor ich mich dann als Studierende ein paar Jahre lang den Tütensuppen aus dem normalen Supermarkt zuwandte.
Ich sagte damals zur Inhaberin: »Ich mach später auch mal so einen Bioladen auf.«
Da sagte sie: »In Zukunft wird man einen Biosupermarkt brauchen und viel mehr Fläche, als sie unser kleiner Laden hier hat.«
Sie hatte damals schon verstanden, dass es die Tante-Emma-Bioläden schwer haben würden, wenn eine Biosupermarkt-Struktur kommt. Das ist inzwischen passiert. Diesen Laden gibt es aber zum Glück immer noch.
Nach der Geburt meines ersten Kindes Mascha bin ich nur selten in den nächstgelegenen Bioladen gegangen. Es war ein kleiner, verhutzelter Laden mit sehr ausgewähltem Sortiment und knappen Öffnungszeiten einschließlich zweistündiger Mittagspause. Das kann ganz charmant sein, aber ich war nach der Geburt schnell wieder in meine damals zwei Berufe zurückgekehrt. Und hatte dann mit diesen Zeiten doch Probleme, den Laden geöffnet vorzufinden. Dort einzukaufen war mit meinem Arbeitsalltag einfach nicht kompatibel. Ich lebte inzwischen im Berliner Stadtteil Schöneberg. Vor einigen Jahren wurde dort dann ein Biosupermarkt eröffnet – mit einem Parkplatz und durchgehenden Öffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr. So einen Laden kann ich als Berufstätige nutzen. Und das tat ich dann auch. Seither kaufen wir mehr oder weniger alles im Bioladen.
Es geht mir aber nicht nur allein um Bio. Ich versuche, saisonal und regional einzukaufen. Also Obst und Gemüse dann, wenn es der Jahreszeit entsprechend geerntet werden kann, und zwar möglichst in Deutschland und am besten in der Nähe meines Wohnortes. Ich möchte keine Biogurke aus Spanien oder ein Biosteak aus Argentinien, wenn ich gute Regionalprodukte haben kann.
Ich habe inzwischen auch gelernt, dass ein Billigsteak aus Südamerika unter gewissen Umständen ökologisch besser sein kann als eins von der deutschen Weide. Weil der energetische Aufwand umso größer ist, je besser und artgerechter das Tier gelebt hat. Vereinfacht gesagt: Je länger es lebt, desto mehr Fut ter braucht es und desto mehr Methan stößt es aus. Methan entsteht bei der Zersetzung organischer Stoffe unter Sauerstoffabschluss, etwa beim Reisanbau oder in Sümpfen und Mülldeponien. Und speziell eben bei Rindern während des Verdauungsvorgangs. Dass das gequälte Tier weniger Methan ausgestoßen hat, macht die Massentierhaltung nicht besser, im Gegenteil.
Selbstverständlich gab es auch den Versuch, frisches Gemüse und Obst und andere Produkte über eine Biokiste aus der Umgebung zu beziehen. So eine Biokiste wird ins Haus geliefert mit regionalen und saisonalen Produkten, direkt vom Bauern aus dem Umland. Eigentlich eine tolle, bequeme Sache. Leider muss ich gestehen, dass der Versuch bei uns trotz mehrerer Anläufe und mehrfacher Modifizierungen immer wieder kläglich gescheitert ist. Zum einen aufgrund meines doch eher unsteten, nicht kontinuierlichen Lebenswandels mit immer wieder neuer Bedarfslage, zum anderen wegen der speziellen Kochkünste, die mir einige Produkte doch abverlangten.
Darauf zu achten, ob auch alles saisonal, regional und CO 2 -arm ist, kann übrigens zwischenzeitlich schon große Verwir rung stiften, sodass man am Ende nicht mehr weiß, was nun eigentlich richtig ist. Da darf man sich nicht kirre machen lassen und muss alle Informationen, die man bekommen kann, in Ruhe gegeneinander abwägen.
Dass allerdings mehr und mehr unnötige Verpackungen auch im Biosortiment Einzug halten, ist für mich unverständlich. Offensichtlich wird da der ursprüngliche Biogedanke wieder verlassen, weil man versucht, eine noch breitere Käuferschicht zu erreichen und deren Bedürfnisse
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