Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Der wich tigste Aspekt beim Essen ist für mich sowieso nicht nur Bio, sondern dass man frische Lebensmittel selbst kocht.
Der Tod des Karpfens
Ich habe als Kind Karpfen getötet. Mit der Hand. Genauer gesagt: mit dem Fleischklopfer. Den Fisch habe ich mit meinem Vater oder oft auch allein im Fischladen in Wilhelmsruh gekauft. Dort gab es ein kleines Becken, in dem sie schwammen. Ich konnte meist schon an ihrer Größe erkennen, wie viel sie kosten würden, ob nun fünf oder sechs Mark. Vor dem Einwickeln schlug der Fischverkäufer einmal kräftig auf den Kopf des Fisches. Zu Hause zappelte er aber oft noch nach. Und dann schlug ich durch das Zeitungspapier noch mal drauf.
Der Karpfen ist eine weitere Tradition meiner Familie. Sie ist mir von Kind auf vertraut und ich habe sie beibehalten, ohne groß nachzudenken. Und ich kann sie auch guten Gewissens beibehalten: Zuchtkarpfen gelten im Gegensatz zu Wildkarpfen nicht als gefährdete Fischart.
Das gilt nicht für andere Fische, deren Konsum wir uns angewöhnt haben. Nach Erkenntnissen von Meeresforschern ist das Leerfischen der Weltmeere für einige Arten bereits sehr vorangeschritten, was wiederum ganze Ökosysteme bedroht. Während ich immer noch gelegentlich Steak esse, hat der Gedanke, dass die Meere leergefischt sind oder werden, bei mir dazu geführt, dass ich fast überhaupt keinen Fisch mehr esse. Warum ist das so? Das Bild der leergefischten Meere treibt mich offenbar mehr um als der Gedanke an die Kühe, die auf dem abgeholzten Regenwald stehen.
Laut der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) werden jährlich 90 Millionen Tonnen Meerestiere gefangen und getötet. Es fehlen globale Abkommen und es gibt starke Lobbys – nur die Tiere haben keine. Laut einer WWF-Studie von 2008 isst jeder Deutsche im Schnitt 16 Kilo Fisch im Jahr. Das sind 50 Prozent mehr als in den 70er-Jahren. Thunfisch, Hering und Alaska-Seelachs, aus dem Fischstäbchen gemacht werden, sind die Lieblingsfische der Deutschen. Alle drei sind stark gefährdet. Der Thunfischbestand ist in den letzten Jahren extrem zurückgegangen. Diverse Arten sind vom Aussterben bedroht. Für den WWF ist die Situation in den Weltmeeren dramatisch. Auch für die europäischen Arbeitsplätze. Mache man so weiter, sei die Fischerei in Europa Mitte des Jahrhunderts am Ende.
Was kann man als verantwortungsbewusster Konsument tun? Ein anerkanntes Label ist »MSC«. Es steht für Marine Stewardship Council, eine unabhängige, gemeinnützige Orga nisation zum Schutz der Meere. Das Siegel kennzeichnet nach haltigen und umweltfreundlichen Fischfang. Über wwf.de kommt man mit wenigen Klicks zu einem Einkaufsratgeber für Fische und Meeresfrüchte, der zwischen den Kategorien »Gute Wahl«, »Zweite Wahl« und »Lieber nicht« unterscheidet.
»Lieber nicht« gilt für mich auch für Garnelen und Shrimps. Seit ich einen Bericht über Garnelenzucht in tropischen Garnelenfarmen gesehen habe, rühre ich sie nicht mehr an. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn ich eingeladen bin, es Garnelen gibt und ich aus bestimmten Gründen nicht ›Nein danke‹ sagen kann oder will.
Ich finde, das gehört sich so.
Andererseits ist es tatsächlich die Frage, ob es nicht zwingend nötig ist, die neuen Werte anzusprechen, um die alten Werte infrage zu stellen. Aber eingeladen zu sein und beim Fischgang – der Gastgeber hat voll Stolz berichtet, bei welchem Händler er den Fisch erworben hat und wie raffiniert-einfach er ihn immer zubereitet, eben so wie heute Abend – bei diesem Fischgang also die Ausrottung des Thunfischs anzuprangern? Schwierig! Wie, wo und wann spricht man produktiv darüber, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen?
Den Karpfen gibt es bei uns übrigens immer noch. Allerdings nur zu Weihnachten und an Silvester. Mein Vater bezieht ihn jetzt von einem alten Bekannten, der im Umland einen Karpfenzüchter kennt.
Auch das ist eine Familientradition, die ich respektiere.
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Die Ernährungsmedizinerin: »Kann man Kinder vegetarisch ernähren, Frau Dr. Gola?«
War es richtig gewesen, meinen Kindern plötzlich eine vegetarische Woche anzuordnen? Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, kamen mir mehr und mehr Zweifel, ob man seinen Kindern einfach sagen kann, dass es ab sofort kein Fleisch mehr gibt – auch wenn es sich bei uns nur um einen kurzen Testzeitraum gehandelt hatte. Vor allem hatte ich gemerkt, dass ich mehr Informationen brauchte, um die Veränderung unserer Ernährung gesund und schmackhaft
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