Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Industrieländern ist heute einfach besser als im Mittelalter oder in der vorindustriellen Zeit vor 1850. Da ernährten sich die meisten Menschen von Trockenbrot und Mehlsuppe. Allerdings nicht freiwillig, sondern weil die Gesamternährungslage schlecht war und sie sich kein Fleisch leisten konnten. Damals war ein Stück Fleisch im Vergleich selbstverständlich deutlich besser als die übliche, oft über lange Zeiträume gleiche »vegeta rische« Kost. Einfach weil es eine andere Nährstoffdichte und damit Qualität hatte als das dünne Breizeugs und die ewigen Rüben. Man hatte also in einer bestimmten Zeit einen Überlebensvorteil durch die höhere Nährstoffdichte im tierischen Nahrungsmittel.
Mag auch sein, dass Fleisch das frühmenschliche Lebewesen erst zum Homo sapiens gemacht hat. Das aus herumliegenden Knochenresten gewonnene Knochenmark und die darin enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, sagt die Wissenschaft, habe das Gehirn des Menschen um das Doppelte wachsen lassen und ihn damit erst zu dem gemacht hat, der er heute ist.
Heute sind die Bedingungen komplett anders. Ernährungswissenschaftler sagen, dass der Mensch auf Fleisch verzichten kann, wenn er sich sein Protein, also sein Eiweiß, anders holt: über Hülsenfrüchte, also Bohnen, Sojabohnen, Erbsen, Linsen, Nüsse. Man muss nur viel davon essen, um eine dem Fleisch entsprechende Proteindichte zu haben. Protein ist wichtig für den Körper und seine Zellen, hilft bei und gegen Krankheiten. Kinder brauchen sogar etwas mehr Protein als Erwachsene. Und Fleisch besteht zu 20 Prozent aus hochwertigem, für Menschen gut verwertbarem Eiweiß.
Dennoch ist gerade in den letzten beiden Jahren die Vegeta rierfrage aus einer Nische ins Bewusstsein einer breiten Öffent lichkeit gerückt: Kann, soll, muss man Vegetarier werden? Jonathan Safran Foers Buch Tiere essen löste in Deutschland eine große Debatte aus und hat auch mich tief erschüttert, insbesondere die beschriebene Pervertierung der Tierhaltung durch bestimmte Geflügelfarmen: Da wird die industrielle Massentierhaltung, die uns niedrige Fleischpreise beschert, zur puren Tierquälerei.
Dass aber Tiere getötet werden, um gegessen zu werden, das gehört für mich dazu, ist Teil des immer wiederkehrenden Ablaufs des Lebenszyklus. Und wir sind ein Teil dieses Zyklus und ein Teil der Nahrungskette. Der Löwe tötet. Der Hai tötet. Der Mensch tötet. Meines Erachtens ist es legitim, dass wir auf Kosten anderer Lebewesen leben, das tun viele Lebewesen. Für mich ist das entscheidende und massive Problem der Umgang mit den Tieren in der Massentierhaltung, angefangen bei der genetischen Veränderung der Tiere über die fürchterlichen Lebensbedingungen nach den Vorgaben der industriellen Landwirtschaft bis hin zu der Art, wie sie getötet werden.
Wie der US-amerikanische Lebensmittelphilosoph Michael Pollan sagt: Das Problem ist nicht das Fleisch, das Problem ist die Fleischfabrik. Das Problem ist nicht, dass wir Tiere essen, sondern wie viel wir essen und wie wir mit diesen Tieren umgehen.
Es ist also nichts dagegen einzuwenden, wenn man Fleisch mag und gerne isst. Aber man kann es reduzieren auf einmal pro Woche und entscheiden, wo es herkommt. Fleisch ist keine »normale« Mahlzeit. Man muss es als das betrachten, was es in Wahrheit ist: etwas Besonderes. Das tue ich.
Was wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts an Fleisch essen, ist viel zu viel, und es steht in keiner Relation zu der Menge Fleisch, die wir brauchen. Übergewicht, bestimmte Formen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind klare Hinweise auf Überernährung und stehen im Zusammenhang mit ungesundem, übermäßigen Fleischkonsum. Die US-Amerikaner haben mit 113 Kilogramm den höchsten Fleischkonsum pro Jahr und ein sehr großes Problem mit Fehlernährung. Die Deutschen essen, wie gesagt, 83 Kilo pro Kopf oder Bauch.
Es gab eine Zeit, da habe ich Fleisch wegen des hohen Proteingehalts gern und regelmäßig gegessen. Vor allem bei Dreharbeiten, abends im Hotel. Oft habe ich in dieser Zeit auch viel Sport getrieben und wollte auf diese Art die Proteine zuführen. Wenn ich heute Fleisch esse, dann ein Rindersteak. Geflügel? Das esse ich praktisch auch nicht mehr, nachdem ich Foers Schilderungen von den Zuständen in Geflügelfabriken gelesen habe. Ab und zu komme ich nachts von einer Veranstaltung und habe richtig Lust auf eine Currywurst. Die esse ich dann auch. Es gibt jedenfalls Tage, an denen ich denke: Jetzt brauche
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