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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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meine Ökovorträge, Simone?«
    Meine Schwester liebt mich trotzdem, glaube ich. Auch wenn ich ihr oft auf die Nerven gehe. Das tue ich ganz bestimmt.
    »Ach, Christiane«, seufzt sie dann.
    Simone ist zwölf Jahre älter als ich. Wir sind sicherlich anders miteinander aufgewachsen als Geschwister, die zwei oder drei Jahre auseinander sind.
    Meine Schwester hatte sich früh von der DDR abgewandt. Mitte der 80er entdeckte sie die Friedensbewegung als Mittel, um ihre oppositionelle Haltung auszudrücken. Diese Gruppierung war eine Art Auffangbecken für sie. Sie lernte jemanden in Niederschönhausen kennen, wo sie wohnte. Mit dem ging sie zusammen zu den Treffen. Es war dann aber wohl doch nicht ihr Ding. Zu müslimäßig, sagte sie. So mit Tee und Schmalzstullen. Gut fand sie und gut tat ihr, dass die menschlichen Beziehungen zueinander tiefer gingen, als sie es gewohnt war. Sonst empfand sie soziale Kontakte in der DDR als eher oberflächlich. »Man wusste ja nicht, mit wem man offen reden konnte.« Im Nachhinein stell te sich dann raus, dass selbst in solchen Gruppen Spitzel waren.
    Simone ist sich sicher, dass es auch in der DDR nicht weit her war mit Idealen oder Solidarität.
    »Das wurde dir vorgegeben. Eigentlich wollte niemand mit Solidarität was zu tun haben oder mit Angela Davis und solchen Sachen.«
    Das Poster der US-amerikanischen Revolutionärin Angela Davis hing damals in jedem Zimmer.
    Sie sagt: »Da gab es zwei Prozent, die dran geglaubt haben, der Rest hat einfach mitgespielt.«
    Ich sage: »Ich gehörte zu den zwei Prozent.«
    »Du? Du hast doch nur Nutella gegessen.«
    Also nur Nuss-Nougat-Creme aus dem Westen.
    Sie sagt: »Das ganze Leben bestand doch nur aus Besorgen, Tauschen, Sachen ranschaffen.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Du hattest immer eine andere Auffassung, Schwesterherz.«
    1986 stellte sie sogar einen Ausreiseantrag.
    Und zog ihn doch wieder zurück. Sie hatten ihr Angst eingejagt.
    Auf dem Rathaus wurde sie gefragt, warum sie ausreisen wolle.
    Sie sagte: »Weil ich nicht so reisen kann, wie ich will.«
    Die sagten: »Eines Tages werden wir auch nach Paris fahren.«
    Sie antwortete: »Wer sagt denn, dass ich mit Ihnen nach Paris fahren will?«
    Daraufhin musste sie den Raum verlassen und draußen den Personalausweis abgeben. Sie wusste nicht, ob sie ihn wiederbekommen würde.
    Wenig später kam sie eines Tages nach Hause, und die Nachbarin sagte: »Da waren zwei Herren da.« Sie suchte in der Wohnung nach Spuren der Besucher und glaubte auch, welche zu finden. Sie schlief sehr schlecht in dieser Nacht.
    Am nächsten Morgen war sie mürbe. Sie ging wieder auf das Amt und sagte: »Ich möchte den Ausreiseantrag zurückziehen.«
    Darauf kam jemand aus dem Nebenraum und sagte: »Ich beglückwünsche Sie dazu.«
    Wenn es heißt , es habe mehr Solidarität im Osten gegeben, dann sage ich: Das stimmt. Aber es stimmt sicher auch, dass es die Solidarität einer Kellergemeinschaft war. Man war aufeinander angewiesen. Man war auf menschliche Beziehungen angewiesen. Weil man mit Geld eben nicht alles regeln konnte.
    Nach dem Mauerfall gingen häufig gerade Freundschaften kaputt, von denen wir dachten, sie hätten uns ausgemacht. Man hatte sich zwar immer gefragt: Wer könnte denn jetzt hier der Stasispitzel sein? Aber am Ende waren es eben auch die, von denen man es am wenigsten geglaubt hätte. Andererseits gibt es auch Freundschaften meiner Eltern aus dieser Zeit, die bis heute halten.
    Trotzdem haben die propagierten Wertvorstellungen die Leute geprägt. Konsum und materielle Werte standen tatsächlich nicht so im Mittelpunkt wie heute. Es war nicht so entscheidend, was du hattest, denn alle hatten nicht viel. Ob Lada oder Wartburg: Der Unterschied war nicht besonders groß. Dass du überhaupt ein Auto fuhrst, war schon unglaublich.
    Der Unterschied zwischen meiner Schwester und mir: Ich habe an die propagierten Werte geglaubt und mich dafür engagiert. Und für Simone waren diese Werte von vornherein entwertet, weil sie dem Staat misstraut hat, der sie propagierte. Und sich am Ende bestätigt sah.
    Meine Schwester lebt heute mit ihrem Mann Herbert in einer Kleinstadt in Hessen. Sie ist Physiotherapeutin. Er ist Vertriebsingenieur. Simone kocht gern und gut. Viel besser als ich. Gut kochen und gut essen ist für sie wichtig und gehört zu einem guten Leben. Darüber wird auch viel gesprochen. Wenn wir uns treffen, sprechen wir auch über das Thema Klima und Umwelt. Das heißt: Ich fange

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