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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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immer wieder an, darüber zu sprechen.
    Ich denke: Warum kann sie nicht einfach alles genau so sehen wie ich?
    Und sie denkt bestimmt: Was will sie nur immer von mir?
    Manchmal seufzt sie: »Das ist halt deine Art zu leben. Das muss ich akzeptieren. Du bist meine Schwester. Du könntest sonst was machen. Ich würde immer zu dir stehen.« Sie liebt auch meine Kinder. Ganz große Liebe.
    Warum denkt Simone so und ich so? Für dieses Buch haben wir ein grundsätzliches Gespräch geführt. Ich fahre mit dem ICE nach Kassel-Wilhelmshöhe, um sie zu besuchen. Simone und Herbert holen mich am Bahnhof ab und fahren mit mir zu sich nach Hause. Sie leben in einem schönen Einfamilienhaus mit Garten.
    »Umwelt hat dich bis zur Wende nie interessiert, Simone?«
    »Ne, das war kein Thema.«
    Na ja, es gab Altstoffsammlungen. Es wurde einem gesagt, man müsse alten Menschen helfen, vor allem wenn man junger Pionier war. Wir sind zusammen von Haustür zu Haustür gegangen. Das wäre heute unvorstellbar, dass man als Kind an fremden Türen klingelt.
    »Ja, klar«, sagt Simone, »das waren diese streng durchorganisierten Pioniernachmittage, damit du die ganze Familie unter Kontrolle hattest.«
    Ich sage: »Selbst die Kronkorken der Flaschen haben wir ge sammelt und abgegeben. Die Kronkorken wurden wieder einge schmolzen. Und aus Altpapier wurde Toilettenpapier gemacht.«
    »Und trotzdem gab es um Berlin herum Engpässe mit dem Toilettenpapier.«
    Stimmt natürlich: Der Grund für das durchorganisierte Altstoffrecycling war sicher nicht der Umweltschutzgedanke; man war einfach auf Rohstoffe angewiesen. Das allerdings kann man durchaus auf heute übertragen.
    »Und wie siehst du das heute? Klimawandel ist ja ein Tagesthema.«
    »Wir trennen unseren Müll. Das ist ja klar. Ich kaufe allerdings nicht in Bioläden ein. Aber ich kaufe mein Fleisch jetzt wieder beim Metzger und nicht mehr im Supermarkt.«
    »Warum?«
    »Weil der weiß, wo mein Schwein herkommt.«
    »Früher hast du das nicht gemacht?«
    »Früher habe ich regelmäßig sechs Hühnerkeulen im Supermarkt gekauft. Für 1,99 Euro. Da ekelt mich es jetzt schon.«
    »Wie ist es dazu gekommen?«
    »Ich habe überlegt: Wie können die das produzieren, wenn sechs Hühnerkeulen 1,99 Euro kosten? Wie kommt es zu dem Preis? Das kann nicht sein. Und ich denke an die Tiere. Man sagt ja immer, es ändert sich etwas, wenn die Masse das nicht mehr kauft. Schön wär’s! Ich weiß aber nicht, ob die Hühner jetzt besser leben, weil ich das nicht mehr kaufe.«
    »Was zahlst du jetzt für sechs Hühnerkeulen?«
    »Ich würde gar keine sechs Hühnerkeulen mehr kaufen. Wenn, dann hole ich weniger. Und seit ich ländlicher wohne, kaufe ich auch meine Ente beim Bauern.«
    »Aber du liebst weiterhin Fleisch?«
    »Ja. Ich möchte Fleisch essen. Sonst kannst du ja nur noch Hirse essen, wenn das so extrem weitergeht. Man weiß ja auch gar nicht, ob alles wirklich Bio ist, was unter Bio läuft.«
    Wenn sie Essen sagt, meint sie Fleisch, das ist ja auch bei mir kulturell und familiär verwurzelt bis in die erinnerten Familien geschichten. »Weißt du noch, als du mal hier warst mit Mascha?«, fragt sie.
    »Nein, was war da?«
    »Da hatten die beim Fleischer so Häppchen von der Wiener, die sie den Kindern gaben. Und Mascha hat mit dem Finger nach unten gezeigt. Sie wollte eine ganze Wiener. Und dann hat die Verkäuferin eine ganze Wurst rausgegeben. Sie konnte noch nicht richtig reden, aber sie wusste, dass sie die Wurst will.«
    Früher kochte Simone viel größere Portionen Fleisch als heu te. Schweinebauch. Haxe. Im Sommer grillen sie im Garten. Fleisch zu essen gehört für sie zur Kultur und zur Vorstellung von einem glücklichen Leben. Beide lieben es.
    Herbert ging auch gern mal nachts an den Kühlschrank. Sie sorgte vor, dass dann auch was drin war, was ihn glücklich machte. Er gehört zu »dieser Nachkriegsgeneration, die nichts verkommen lässt«, sagt sie.
    Inzwischen hat er auf ärztlichen Rat seinen Fleischkonsum reduzieren müssen. Sie versucht, »ausgewogener« zu kochen. Auch Fisch. Und im Sommer viel Salate.
    »Ich versuche jetzt auch mal, einen Tag ohne Fleisch auszu kommen. Gestern habe ich Spaghetti mit Zitronensoße gemacht, war extrem lecker und hat auch gereicht.«
    Manchmal drängelt sich leider mein Über-Ich in den Vordergrund und spielt sich als moralische Instanz auf. Dann sage ich: »Ein Tag ohne Fleisch? Hahaha, das ist ja super, ein ganzer Tag ohne Fleisch!«
    Das

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