Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
befindet sich ein Restaurant namens »The Lido«. Da gehen wir rein und trinken Cappuccino.
Ich stelle fest, dass es kein Klischee ist, dass Briten Fish & Chips lieben. An fast allen Nebentischen essen sie panierten Fisch mit fettigen Pommes frites.
Hickman, darauf angesprochen, nickt und erzählt umstandslos, dass er wegen seines Buches mal bei seinem deutschen Verlag in München eingeladen war.
Er kam morgens hin, und sie sagten: »Sind Sie hungrig, wollen Sie frühstücken?«
Und er sagte: »Oh ja, sehr gern.«
»Dann brachten sie mir diese weißen Würste mit dem süßen Senf.«
Er habe gedacht: Habt ihr mein Buch nicht gelesen? Aber die Würste hätten dann recht gut geschmeckt.
Damit sind wir quitt, was die Bestätigung von deutsch-englischen Ernährungsklischees angeht.
Ich frage ihn: »Wie geht es Ihnen nach acht Jahren gelebter Klimakultur, Leo? Sind Sie glücklich?«
Er überlegt. Mit der Frage hat er offenbar nicht gerechnet. Ir gendwann sagt er: »Yes. I am very happy.« Ich bin sehr glücklich.
»Was ist es genau, was Sie glücklich macht?«
»Ich bin glücklich, damals dieses Experiment gemacht zu haben. Es hat mein privates und auch mein berufliches Leben fundamental verändert.«
»Zum Besseren?«
»Eindeutig. Das Wichtigste ist ein philosophischer Wechsel, wie ich die Welt und die Menschen sehe. Es geht da nicht nur um die Reduzierung von Kohlendioxid. Das ist wichtig, aber worum es vor allem auch geht: herauszufinden, ob man seine Einstellung gegenüber bestimmten Dingen und Haltungen verändern kann. Die Antwort ist: Ja. Das ist mir passiert. Heute kann ich sagen: Es war einer der wichtigen Momente in meinem Leben, das gemacht zu haben.«
»Wie haben Sie die Welt früher gesehen?«
»Ich hatte einen zynischen Blick auf die Welt. Und habe ihn teilweise immer noch. Ich meine, hey, ich bin Journalist – und ich bin Engländer.«
»Da ist das so?«
»Da ist das so. Es hat mir aber auch eine neue Kraft gegeben. Ich glaube heute, dass wir mit der richtigen mentalen Haltung individuell und als Gesellschaft etwas erreichen können. Ich wäre sonst vielleicht heute jemand, der sagt: Ach, bringt ja eh nix, ich fahre mein Auto und den Rest kann ich nicht beeinflus sen. Was ich habe, fühlt sich jetzt wie ein reicheres Leben an, und ich lebe lieber in dieser Weise als so, wie ich früher gelebt habe.«
»Nämlich wie?«
»Das war ein individualistischer Konsum-Lebensstil. Auf der einen Seite hat mir das Neue mehr Probleme gebracht, aber es wurde auch inhaltlicher. Wenn ich früher eine Geschichte gelesen habe, hatte ich sie nach 20 Minuten wieder vergessen. Heute habe ich das Gefühl, ich sauge Dinge und Informationen auf, und das bereichert mich.«
»Gibt es auch Rückschritte?«
» Es gibteine fundamentale Veränderung. Selbst als ich noch einen zynischen Blick auf die Welt hatte, hatte ich immerhin kein Auto. In London geht das. Auf dem Land ist es praktisch unmöglich, kein Auto zu haben. Als ich nach Cornwall zog, war das mein großes Thema: Oh mein Gott, wir brauchen ein Auto. Ich will kein Auto. Es geht aber nicht ohne Auto. Was mache ich nur?«
Am Ende kam ein Kompromiss heraus: ein Biogas-Auto. Aber er hat jetzt nicht nur ein Auto, sondern auch einen großen Garten, in dem sie Gemüse anbauen und in dem ihre eigenen Hühner scharren.
»Ernähren Sie sich komplett aus dem eigenen Garten?«
»Nein, dafür dürfte man keinen anderen Beruf haben.«
Hickman hatte beim Guardian Anfang des Jahrtausends eine konsumorientierte Kolumne mit dem Titel How to bu y : Wie man einkauft. Im Januar 2003 kam der für das Verlegen von Büchern zuständige Kollege daher und wollte einen Führer über ethisches Leben herausbringen. Hickmans Chef sagte, er solle das mal machen. Das Buch sollte ein einjähriges journalistisches Experiment beschreiben von jemand, der ethisch leben will.
Hickman sagte: »Klingt interessant, aber ich weiß nichts darüber.« Er erzählte es seiner Frau Jane, und die sagte: »Klingt seltsam, aber so schlimm kann es ja nicht werden.« Man wollte »normale Mittelklassemenschen«. Er galt als normal. Und sie hatten gerade ein Baby gekriegt. Sein Chef dachte, das bringe »mehr Drama und mehr Human Interest«.
Ich frage ihn: »Sie waren nicht schon in Ihrer Kindheit ökologisch beeinflusst?«
»Nein, ich war überhaupt kein Umweltmensch. Ich war wie viele. Ich las etwas und dachte, oh, das ist ja traurig. Aber ich war nicht motiviert, etwas zu tun.«
Ich sage: »Manche
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