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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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davon ab, das Thema zu propagieren.«
    »Was ist mit dem Privatflugzeug?«
    »Lustig, dass Sie das sagen. Ich habe ihn vor einiger Zeit interviewt, als er nach London kam.«
    »Mit dem Privatflugzeug?«
    »Vermutlich. Ich bekam 45 Minuten, was viel ist. Aber Themen wie Privatflugzeug und sein großes Haus waren tabu. Ich denke, das ist ein Fehler, weil das die Vorbehalte nur vergrößert. Er sollte offen darüber reden.«
    Auf der einen Seite trösten sich die Leute mit der Einschätzung, dass Al Gore ein Heuchler ist, darüber hinweg, dass sie selbst nicht agieren. Auf der anderen Seite lähmt sie die Größe der Aufgabe und das im Verhältnis dazu vermeintlich Winzige, was sie selbst tun könnten. Wie kommt man aus dem Denken raus?
    Hickman nickt. Das Problem kennt er. »Die Leute sagen: Was ist der Punkt, wenn ich mich ein Jahr auf den Boden lege und mich nicht bewege, wenn China jede Woche ein neues Kohlekraftwerk baut? Von Indien und Brasilien nicht zu sprechen. Das ist ein guter Punkt. Aber ich antworte: Wenn man eine defätistische Mentalität kultiviert, ist das eine leichte Entschuldigung dafür, gar nichts zu tun. Damit kommen wir nirgendwohin. Wir haben eine Verantwortung im Westen, wir haben 200 Jahre fossile Energie verbrannt und unsere Wirtschaft damit aufgebaut. Indien und China nicht.«
    »Heißt das, wir müssen sie erst mal machen lassen?«
    »Wir haben zwei Jahrhunderte Vorsprung. Vom Gerechtigkeitsstandpunkt aus sind wir diejenigen, die reduzieren müssen, und sie sind die, die eine gewisse Zeit noch mehr verbrauchen dürfen, sagen wir für zehn Jahre – auch um der Armut in bestimmten Regionen zu begegnen.«
    »Es gibt Leute, die sagen: China interessiert eine internationale Vereinbarung doch gar nicht. Die Chinesen ziehen jetzt ihr Ding durch!«
    »Ich denke, das ist eine Fehleinschätzung. China hat einen fast deutschen Pragmatismus. Sie haben klarer als die USA erkannt, dass sie ein großes Problem haben. Und sie versuchen, es zu lösen. Man kann auch sagen, dass China das grünste Land der Erde ist, wenn man die Art sieht, wie sie ihre Ökonomie grüner machen in bestimmten Regionen.«
    Damit sind wir bei der unangenehmen Frage, ob es eben doch Diktaturen braucht, um effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel hinzukriegen, und ob moderne westliche Demokratien das überhaupt schaffen können.
    Hickman erzählt von einem Interview, das er mit dem renommierten englischen Wissenschaftler James Lovelock geführt hat.
    »Lovelock sagt: Wir als Menschen sind zu dumm für die Be wältigung der Klimakrise. Er glaubt, wir werden die Demokratie aufgeben müssen, um damit fertigzuwerden.«
    »Das ist seine einzige Lösung?«
    »Er sagt, wir müssen den Klimawandel wie einen Krieg sehen.«
    »Was heißt das?«
    »Wir haben einen Notfall. Die Regierung setzt Dinge durch, die sie in Friedenszeiten nicht durchsetzen könnte. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Essen rationiert, die Männer mussten in die Army. Und so weiter.«
    Ich erzähle Hickman von den deutschen Wissenschaftlern Claus Leggewie und Harald Welzer, die in ihrem Buch Das Ende der Welt, wie wir sie kannten den Klimawandel als Chance für eine Erneuerung unserer Demokratie sehen. Und dass ich daran zweifle.
    »Viele glauben auch an die Lösung durch den Markt. Durch die richtigen Produkte«, sagt Hickman. »Das ist Teil der Lösung, aber nicht die Lösung.«
    Ich stimme ihm zu.
    Er sagt: »Es gibt eine entscheidende Frage: Was braucht es am Ende, um den Klimawandel ernsthaft angehen zu können?«
    »Sie meinen jenseits der Systemfrage?«
    »Ja. Und fast jeder antwortet auf diese Frage dasselbe und immer ›off the record‹, also nicht zum Zitieren: Das Einzige, was Bewegung brächte, sei ein großes, dramatisches Erlebnis, das viele Menschen schwer verletzt.«
    »Wie Hurrikan Katrina?«
    »Ja, aber eine Katastrophe, die nicht arme Schwarze in New Orleans erwischt. Wäre Hurrikan Katrina in der Upper Westside in New York passiert, dann hätte das die Klimapolitik komplett verändert. Das ist schrecklich, aber es ist so. Sonst wird die menschliche Rasse nichts beziehungsweise erst im letzten Moment etwas tun.«
    Mehrfach im Verlauf unseres Gespräches kommt Hickman auf den Vergleich zwischen Kampf gegen die Erderwärmung und den Zweiten Weltkrieg zurück. So auch jetzt.
    »Vor dem Zweiten Weltkrieg wussten wir auch, was passieren würde, aber wir taten so, als würde es nicht passieren. Es brauchte den deutschen Überfall auf Polen. Und für die

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