Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
und damit zum Handeln ist.
Im Restaurant Borchardt in Berlin-Mitte kann man im Sommer im Hof sitzen. Eines Tages glühten auch da die Heizpilze. Ich habe diesmal den Besitzer Roland Mary angesprochen, den ich schon seit Langem kenne.
Er sagte: »Was soll ich machen? Wenn ich die nicht habe, ge hen die Leute woandershin. Dann fällt der Umsatz, und Arbeits plätze gehen damit auch verloren.« Das ist leider eine nur zu verständliche Argumentation. Und die gilt natürlich genauso für den Kellner in Charlottenburg.
Da bleibt einem nur die individuelle Demonstration. Ich sagte:«Dann stell doch den Pilz bei mir bitte aus.«
Er schaute mich an und sagte nichts mehr. Man sah, was er dachte: Die hat einen Knall. Wahrscheinlich muss man es denken oder aber die Intervention für ziemlich naiv und selbstüberschätzt halten. Als würde es etwas ändern, den einen Heizpilz abzuschalten, unter dem man gerade sitzt.
Aber vielleicht tut es das ja doch.
Die Aber-du-musst-erst-mal-Argumentation
Als ich den Kellner in Berlin-Charlottenburg gebeten habe, er solle die Heizpilze ausschalten, sagte er: »Dann müssen Sie erst mal das Autofahren sein lassen.«
Ich antwortete spontan: »Das kann doch nicht das Argument sein, es gibt Prioritäten und unterschiedliche Gewichtungen.«
Aber genau das ist oft das Argument. Und prinzipiell hat der Kellner damit nicht unrecht. Es gibt natürlich Alternativen zum Auto: öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad, Carsharing. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, umzudenken. Wenn’s irgend geht, nehme ich das Fahrrad oder gehe zu Fuß. Aber ich fahre auch Auto und an diesem Tag war ich mit dem Auto da.
Die Aber-Sie-müssen-erst-mal-Argumentation wird ständig eingesetzt. Das macht nicht nur der Kellner. Das macht auch meine Schwester.
Ich sage: »Du hast ja recht, ich fliege zum Dreh – wenigstens fahre ich mit der Bahn zum Theaterspielen –, ich habe viel mehr Kleider, als ich wahrscheinlich jemals auftragen kann, ich habe einen viel schlechteren ökologischen Fußabdruck als du, weil mein Leben sehr aufwendig ist und ich hochmobil bin und sein muss.«
Letztlich ist es auch bei Weltklimakonferenzen nicht anders. Da läuft es in großem Stil: »Wenn du nicht erst mal das machst, brauchst du von mir überhaupt nichts zu erwarten.«
Damit es vorangeht, muss einer sagen: Gut, dann mache ich das jetzt. Auch wenn du das noch nicht machst.
Die, die das sagen müssten, sind wir, die westlichen Industrienationen.
Innerhalb dieser Gesellschaften besteht nun einmal der erste Schritt darin, dass möglichst viele im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben energetisch optimieren. Wie gesagt: Ich komme derzeit noch nicht ohne Auto aus, aber das heißt nicht, dass ich dadurch bezüglich aller anderen Verbesserungen diskreditiert bin und meinen Kaffee unter einem Heizpilz trinken muss. Wie der Schriftsteller Jonathan Safran Foer mir sagte: Wenn ich gerade Fleisch gegessen habe, habe ich die Chance, es bei der nächsten Mahlzeit anders zu machen.
Da Menschen sich ungern etwas sagen lassen, ist gerade global gesehen von uns Vorleben und nicht Vorschreiben angesagt. Wir haben den Indern Fleischkonsum vorgelebt, und inzwischen halten das Teile der wachsenden indischen Mittelschicht für nötigen Prestigekonsum, um zu zeigen, dass sie teilhaben am begehrenswerten westlichen Lebensstil. Sie essen jetzt auch Fleisch, um dazuzugehören. Obwohl es ihnen möglicherweise gar nicht schmeckt und obwohl es ihr Körper definitiv nicht braucht. Das zeigt, wie gut es funktioniert, wenn wir einen Lebensstil vorleben. Nur sollte es jetzt darum gehen, ihn aus der falschen in die richtige Richtung zu bekommen und neue positive Standards zu setzen.
Im Kleinen ist das Vorleben allerdings oft ungenügend. Da muss man hin und wieder auch sprechen. Und es ist nun mal das Schwierigste in jeder Art von menschlicher Beziehung, jemandem zu sagen, dass er etwas anders machen kann und soll – und damit Erfolg zu haben. Wenn es nicht über Hierarchie und Befehlsgewalt läuft. Auch da ist die »Aber du …«-Argumentation hartnäckig etabliert. Ich kenne dieses Verhalten von meinen Kindern und habe den Eindruck, viele lassen auch als Erwachsene ungern davon ab.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Gewohnheit von Autofahrern, irgendwo mit laufendem Motor zu stehen. Man kann mit guten Gründen der Meinung sein, dass es dringlichere Probleme gibt. Aber falls man die Sache angehen will, kann man das nicht nonverbal lösen. Wer selbst
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