Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
bei Stillstand des Wagens immer schön den Motor ausschaltet, hat damit keinerlei Einfluss auf das Verhalten des Motoranlassers. Man muss schon hingehen, an die Scheibe klopfen und freundlich sagen: »Darf ich fragen, warum Sie den Motor laufen lassen?«
Grundsätzlich und primär geht es aber nicht darum, andere zu belehren, sondern darum, das eigene Potenzial auszuschöpfen und dort Einfluss zu nehmen, wo es nicht um Rechthaberei geht oder darum, den anderen moralisch herabzusetzen, sondern wo es tatsächlich etwas bringt.
Was den Heizpilz angeht, so glaube ich, steht die Sache stellvertretend für ein grundsätzlich falsches Denken: Die Vorstellung nämlich, dass es unsere Wahlmöglichkeit, unser Wohlbe finden und damit letztlich auch unser Glück erhöht, wenn wir unseren Kaffee draußen trinken können, unbhängig von Jahreszeit oder Wetter. Es soll sogar Leute geben, die greifen zur Verteidigung von Heizpilzen ganz hoch und behaupten, da ginge es um Freiheit.
Ich muss aber den Kaffee im Winter nicht draußen im Warmen trinken. Das hat keine Priorität für mich. Mir genügt die Freiheit, dass ich ihn draußen trinken kann im Kalten oder drinnen im Warmen. Ich muss nicht künstlich die Außentemperatur dramatisch erhöhen, nur damit ich da meinen Kaffee im Warmen trinken kann. Das habe ich dem Kellner damals gesagt, und danach war er noch verärgerter als ohnehin schon.
Als ich das nächste Mal vorbeikam, hatte er die Heizpilze nicht mehr. Ich fürchte allerdings, nicht aus Einsicht in ökologische Zusammenhänge, sondern weil das eben doch ein öffen tlicher Gehsteig ist und damit verboten. Das zeigt: Es braucht politische Regulierung, und dazu braucht es eine gesellschaftliche Kultur, die Heizpilze nicht als »Fortschritt« empfindet, sondern als Unsinn, den wir uns nicht mehr leisten wollen. Auch hier muss man persönliches und öffentliches Wohl gegeneinander abwägen. Etwa wenn der Kellner entlassen werden muss, weil die Geschäfte ohne Heizpilze zurückgehen und daraufhin seine Kinder …, oder wenn die Heizpilzfirma Bankrott macht, weil kein Mensch mehr Heizpilze kauft und daraufhin zwanzig Leute neue Jobs brauchen und deren Kinder … und so weiter. Häufig entsteht durch eine Verbesserung an einer anderen Stelle ein Problem. Da muss man abwägen, was wichtiger ist.
Grundsätzlich aber bin ich der Meinung, dass die Welt wirklich keine Heizpilze braucht.
Warum machen wir es nicht einfach?
Wenn ein Kellner seinen Heizpilz verteidigt, verteidigt er aus seiner Sicht Teile seines Umsatzes und Geschäftsmodells und damit womöglich seinen Arbeitsplatz. Wenn der Fahrer eines stehenden Autos sein Recht auf laufenden Motor verteidigt, so vertei digt er aus seiner Sicht seine Freiheit gegen die Zumutungen einer heraufziehenden Ökodiktatur. Wenn jemand Energie sparlampen eingeschraubt hat, so kann sich ein anderer davon angegriffen fühlen, weil er selbst es nicht getan hat und sich dadurch unter Druck gesetzt fühlt. Viele Dinge tun wir, weil wir an sie gewöhnt sind, weil sie bequem sind und weil es generell ab einem bestimmten Alter schwierig wird, sich und seine Gewohn heiten zu ändern.
Der britische Umweltvordenker James Lovelock sieht die Menschheit bis 2100 unter anderem deshalb auf ein Fünftel schrumpfen, weil eine demokratische Gesellschaft zu wirklich relevantem Klimaschutz, wie z. B. fleischfreier Ernährung, nicht in der Lage sei. Ich bin selbst keine Vegetarierin. Trotzdem kann man ja hier noch mal stellvertretend für anderes fragen: Warum machen wir das nicht einfach? Die Antwort ist ganz schön komplex, das habe ich versucht zu beschreiben.
Die Frage, wie und wo wir künftig »genug« Fleisch herkriegen, ist definitiv nicht die richtige. Auch von der Ankündigung, Fleisch könnte demnächst künstlich im Labor produziert werden, lassen wir uns nicht irritieren oder zum Abwarten verleiten und kommen auf das Nächstbeste nach ›Kein Fleisch essen‹ zurück: wenig Fleisch essen. Weniger Fleisch essen hat ungleich mehr Vorteile als Nachteile. Pathetisch gesprochen: Es ist gut für mich, für andere Menschen und zur Bekämpfung des Klimawandels.
Es gehört seit einiger Zeit zum guten Ton, dass man nachdenklich ist, was die Industriefleischproduktion und den eigenen Tierkonsum angeht. Wir reden inzwischen darüber, gern auch beim Tiere essen. Das ist gut und notwendig. Erst wenn man etwas ausspricht, kann der Gedanke wachsen und irgendwann Realität werden. In diesem Fall bin ich für
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