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Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Das Leben ist eine Oeko-Baustelle

Titel: Das Leben ist eine Oeko-Baustelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Paul
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Palmer sagt. »Vauban mag energetisch etwas besser sein, aber städtebaulich ist das Französische Viertel vorn.«
    Palmer radelt übrigens mit Fahrradhelm und mit beträchtlichem Tempo durch seine Stadt. Ich muss trotz Elektromotors sehen, dass ich hinterherkomme.
    »Fühlen Sie sich komplett akzeptiert als Autorität, wenn Sie so mit dem Fahrrad daherkommen?«
    »Bei mir funktioniert es. Wahrscheinlich, weil man eh schon weiß, dass ich ein bunter Vogel bin. Mir würden sie die S-Klasse nicht abnehmen.«
    Bunter Vogel? So bunt kommt er mir gar nicht vor.
    »Wo sind Sie denn ein bunter Vogel, Herr Palmer?«
    »Das verstehen Sie, wenn Sie mal auf der Jahrestagung des Deutschen Städtetags waren.«
    »Was würde ich da sehen?«
    »Eine Masse von Bürgermeistern, alle zwischen 50 und 60, alle mit dem gleichen Sakko und alle mit einer bestimmten Art Krawatte. Die kann man nicht bestimmten Städten zuordnen, das ist einfach der Phänotyp. Im Vergleich dazu ist einer wie ich ein bunter Vogel. Wenn ich bei solchen Besprechungen sitze, ist kein Einziger, der ungefähr meine Wertvorstellungen teilt, meine Rangehensweise, meine Art, Politik zu machen.«
    Inzwischen ist es mittlerer Nachmittag. Boris Palmer hat mir viel mehr von seiner Zeit geschenkt, als ausgemacht war und ich erwartet habe. Er hat mir den Eindruck vermittelt, dass er nicht nur Werte und Ziele hat, sondern viel dafür tut, sie auch umzusetzen.
    Wir passieren eine Stelle, unter der ein Abwasserkanal liegt und wo die Abwasserwärme inzwischen für die Heizung einer Schule genutzt wird. Vor uns fährt ein Stadtbus, auf dem hinten Werbung für den neuen Ökostrom der Stadtwerke prangt. Boris Palmer ist gut beschäftigt damit, Leuten auf dem Gehsteig ein »Grüß Gott« entgegenzurufen. Wenn sie schnell genug für ihn sind, dann grüßen sie zurück.

16
    Blockaden und Selbstblockaden: »Schalten Sie den Heizpilz aus!«
    Ich hatte mich in einem Restaurant im Berliner Stadtteil Charlottenburg verabredet. Als ich hinkam, waren draußen Heizpilze aufgestellt. Dabei war es ein richtig warmer Abend. Als der Kellner kam, fragte ich ihn: »Ich dachte, Heizpilze sind verboten?«
    Er schaute mich streng an und hat sich wahrscheinlich gefragt, ob ich vom Hygieneamt oder von der Stadtverwaltung bin.
    Dann sagte er: »Nein, meine Dame. Das hier ist ein privater Platz. Und auf privaten Plätzen ist das erlaubt. Nur öffentlich ist es verboten.«
    Tatsächlich hatten die fünf Berliner Innenstadtbezirke das Aufstellen von Heizpilzen untersagt; aber nur im öffentlichen Bereich. Da können sie das.
    »Aha«, sagte ich und habe mich daraufhin reingesetzt. Aus Protest gegen die Heizpilze. Ich sagte zu dem Kellner: »Ich möchte nicht hier draußen sitzen, ich gehe rein.«
    Er nuschelte irgendetwas.
    Ich war ärgerlich, innerlich noch nicht fertig mit der Situation und sagte: »Es ist total abstrus: Wenn die Erde sich schon aufheizt, heizt man sie mit diesen Heizpilzen noch weiter auf, nur weil alle Leute plötzlich draußen sitzen wollen.«
    Der Kellner schien jetzt auch aufgebracht und brummte, das liege alles an dem komischen Nichtrauchergesetz.
    Ich ahnte, dass es wohl nichts bringt, aber ich konnte mich nicht mehr bremsen und habe ihn gefragt: »Und wie sehen Sie die Klimaveränderung?«
    Er sagte: »Ach, da sind wir doch alle längst tot.«
    Das also war seine Argumentation. Daraufhin hat er mich mit Missachtung gestraft, so gut ihm das als Kellner möglich war. Ich war bei ihm unten durch. Aus und vorbei.
    Heizpilze werden mit Flüssiggas betrieben. Sie verursachen bis zu 3,5 Kilogramm Kohlendioxid pro Stunde. Die Berliner Grünen haben mal behauptet, ein Heizpilz verursache im Jahr so viel CO 2 wie ein Auto, das 12 000 Kilometer fährt. Ob das hinhaut, weiß ich nicht. Die Freunde des Heizpilzes bestreiten es vehement. Jedenfalls hat Berlin inzwischen über 5 000 Heizpilze. Da kommt ganz schön was zusammen. Selbst wenn es für die Gesamtemission einer Großstadt nur Bruchteile ausmacht: Das Beheizen der Bürgersteige ist meiner Ansicht nach kein zivilisatorischer Fortschritt, sondern kulturelle Barbarei.
    Selbstverständlich habe ich mich gefragt, ob es überhaupt etwas bringt, wenn man es anspricht, um dann als Antwort eine Mischung aus Unverständnis und Barschheit zu bekommen. Ich habe mich entschieden, trotzdem weiterzumachen. Mich interessieren genau diese Antwort, die Meinung, die Gedanken der Leute. Außerdem hoffe ich, dass eine Diskussion ein Anstoß zum Umdenken

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