Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Ö-Gedanke spielt eine wesentliche Rolle, aber er ist nicht alles. Wenn das Verbindende ist, dass der Ö-Gedanke eine wichtige Rolle spielt, dann könnte man von einer Generation sprechen. Aber das Verbindende ist mir dafür nicht stark genug.«
»Öko war früher politisch links, die Grünen waren links, die Wirtschaft war rechts oder jedenfalls woanders. Dem haben Sie sich schon immer entzogen?«
»Die Links-Rechts-Diskussion hat mich immer abgestoßen. Ich habe nichts gegen Linke und auch nichts gegen Rechte, ich finde nur diese strikten Positionierungen für die heutige Zeit untauglich. Das sind Begriffe aus einer formierten Gesellschaft, in der es nur zwei Richtungen gibt und jeder weiß, wo er hingehört. Wir sind heute eine extrem aufgefächerte, pluralistische Gesellschaft. Weder die Gewerkschaften sind definierend noch die Kirchen.«
»Wie sieht für Sie die Gegenwart jenseits von links und rechts aus?«
»Ökologie und Grün sind fast identische Begriffe, etwas verengt auf Klimaschutz. Das ist hegemonial, das steht nicht mehr links, sondern in der Mitte oder überall. Es beinhaltet den stockkonservativen CDU-Wähler, der seine Produktion auf ökologisch umstellt, wie den Linksalternativen, der immer schon der Meinung war, dass der Staat ein Spitzelstaat sei und die Medien rechtsdominiert.«
Wir gehen durch die autofreie Altstadt zu einem Restaurant, um dort Mittag zu essen. Palmer nimmt Linsen und Spätzle mit zwei kleinen Saitenwürstchen und versucht, mir die Vorzüge eines E-Bikes zu erklären. Ein E-Bike ist ein Fahrrad, das zusätzlich einen Elektromotor hat, der das Treten unterstützt. Dieser Motor hat einen Akku, den man abnehmen und in der Wohnung aufladen kann.
»Ein Fahrrad mit Motor ist doch Unsinn«, sage ich.
Palmer erklärt mir, warum das für ihn kein Unsinn ist. Zielgruppe seien nicht Fahrradfahrer, sondern Autofahrer, die bisher aus den verschiedensten Gründen – es findet sich immer einer – das Gefühl haben, mit dem Auto fahren zu müssen. Etwa die »Anzugträger«, die es sich nicht leisten können, verschwitzt im Büro anzukommen. Die auf der Strecke einen Berg haben. Denen sonst der Weg zu lange dauert. Der Motor schiebt sie den Berg rauf, macht sie schneller und verhindert Transpiration. Er verbraucht das Äquivalent von 0,1 Litern auf 100 Kilometer, »98 Prozent besser als ein Auto«, sagt Palmer.
Ich fürchte, es ist ein weiter Weg, einen auf das Auto konditionierten Menschen auf ein Fahrrad mit Motor zu bekommen. Palmer hält es für möglich.
Auch das belegt seinen Denk- und Arbeitsansatz: Nicht von dem ausgehen, was ideal wäre, und es einfordern. Sondern von dem ausgehen, was real passiert, und jemanden dort abholen mit einem Angebot, das er annehmen kann und will.
Was die Würstchen auf den Linsen angeht: Palmer ist kein Vegetarier. Er ernährt sich »fleischarm und nach Möglichkeit bio«.
Später lädt er mich zu einer Rundfahrt durch die Stadt ein. Er nimmt sein Dienstfahrrad, ich kriege ein E-Mobil aus dem Fuhrpark des Rathauses.
Das E-Mobil fährt sich wirklich lustig. Wenn man den Motor einschaltet, bekommt man einen Schub, der einen nach vorn schnellen lässt. Man kommt damit problemlos einen Berg hoch, ohne aus dem Sattel zu müssen.
Wir schauen uns energetisch sanierte Schulen an, Bauten, die unter energetischen Gesichtspunkten neu entstehen oder umgebaut werden. Wir halten an einer Straße, die temporär für Autos gesperrt ist. Ein Auto kommt und fährt durch. Es blitzt. »150 Euro für die Stadtkasse«, sagt Palmer zufrieden. Da blitzt es erneut. Man sieht ihm richtig an, wie er sich freut. Wahrscheinlich rechnet er die Einnahmen bereits in Dämmmaßnahmen um.
Wir radeln in die Südstadt ins Französische Viertel, wo auf dem Gelände der früheren französischen Garnison ein moderner Stadtteil entstanden ist, eine Mischung aus sanierten und neuen Häusern, Wohnen und Arbeiten, verkehrsberuhigt und doch lebendig, mit Studierenden, jungen Familien, Künstlern. Kindergärten, Pizzerien, Bäckereien, alles da – und doch nur fünf Minuten von der Innenstadt entfernt. Vor allem: Gebaut wird hauptsächlich von Baugemeinschaften, nicht von Investoren. Im Gegensatz zur Freiburger Ökomustersiedlung Vauban hat man nicht so viel Solar auf dem Dach, aber Blockheizkraftwerke und autofreie Zonen sind Standard. Vor allem hat man durch Gewerbeverpflichtung im Erdgeschoss der Häuser 800 Arbeitsplätze im Viertel und eine »lebendige Stadt der kurzen Wege«, wie
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