Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben ist groß

Das Leben ist groß

Titel: Das Leben ist groß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Dubois
Vom Netzwerk:
einzuklappen.
    Gogunow beugte sich wieder nach vorn. »Das war noch nicht alles«, sagte er. »Ich habe gelogen, als ich gerade sagte, das wäre alles gewesen.«
    »Ach ja?«
    Gogunow nippte an seinem Glas und lächelte. »Die entscheidende Frage ist doch: Wer hat den Transport autorisiert? Wer hat das RDX rausgegeben, und was haben die gedacht, wo es hingeht? Warum haben sie die Säcke falsch beschriftet? Ich war bloß ein einfacher Soldat. Und uns haben sie keine Schutzwesten gegeben, also neige ich zur Verbitterung. Was ich sage, ist vielleicht nicht so viel wert, wie wenn einer da draußen in Perm was weiß. Jemand, der das Kommando hat und der euch diese Fragen vielleicht beantworten kann. Wenn einer von denen was dazu sagen kann, hängt das Militär mit drin. Dann geht es nicht bloß um stillschweigende Duldung oder um grobe Inkompetenz. Sondern um Militärbeteiligung – um Regierungsbeteiligung. So sehr ich die russische Armee hasse – und ich hasse diese verfickte Armee –, glaube ich nicht, dass die solche Tricks aus Spaß durchziehen. Und so lächerlich ich euch auch finde – und ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, wie lächerlich ihr seid –, kann ich doch einer gutenVerschwörungstheorie nicht widerstehen. Das liegt in der Natur des Menschen. Dazu gibt es wissenschaftliche Studien.«
    »Okay, okay«, sagte Viktor. »Können Sie uns Namen nennen?«
    »Es gibt da diesen Mann«, sagte Gogunow. »Den Leutnant, der den Stützpunkt leitet. Andrei Simonow. Er weiß bestimmt Bescheid. Aber ich weiß nicht, wie ihr ihn zum Reden bringen könnt. Ich glaube nicht, dass ihr ihn kaufen könnt. Erpressen auch nicht. Aber ihr seid ja so charmant. Besonders die hier.« Er zeigte auf mich. »Die ist ein Traum.«
    »Genug jetzt«, sagte Viktor.
    »Wisst ihr«, sagte Gogunow. »Ich bin kein besonderer Fan von eurem Besetow. Seine Nase passt mir nicht.«
    »Das erwähnten Sie schon«, sagte ich.
    »Er würde sich wahrscheinlich besser machen als Putin, aber das ist kein großes Kompliment. Und ich glaube nicht, dass er die Wahl gewinnt. Aber wer weiß. Selbst wenn der Dorfidiot den Drachen tötet, jubeln die Leute. Sie feiern ihn. Sie machen ihn zum König.« Er zwinkerte mir zu. »Das ist ein Aphorismus. Eine Metapher. Putin ist hier der Drache, und Besetow …«
    »Schon verstanden.«
    »Denk darüber nach.«
    »Mache ich.«
    »Natürlich machst du das. Das Denken hat dich schließlich hergeführt, oder? Dein gutes Aussehen kann es nicht gewesen sein.«
    »Das reicht jetzt«, sagte Viktor, und ich wechselte Blicke mit ihm.
    »Ihr könnt gern bleiben«, sagte Gogunow. »Aber ich bestelle mir jetzt einen Lap Dance.«
    »Wir gehen«, sagte Boris, und das taten wir – die Treppen hinunter, unter dem Coelinblau des Aquariums hindurch, an den abgemagerten Frauen vorbei, die in ihren Kästen Fellatio simulierten. Silberne Lichtpixel blieben in meinem Mantel hängen, und ich hielt mich an Viktors Schulter fest, um nicht zu ertrinken.
    Draußen wartete der Wagen auf uns. Viktor legte die Ausrüstungin den Kofferraum. Wir fuhren los. Ich drehte mich wieder zum Fenster, während wir durch die Stadt jagten. Wie Gogunow es befohlen hatte, dachte ich über seine Worte nach. Und überall um uns herum waberte Licht wie unentdeckte Zivilisationen jenseits eines Ozeans, und Musik hämmerte auf die Straßen hinaus, und betrunkene Mädchen fielen leise in den Schnee.

KAPITEL 17
    Alexander
    St. Petersburg, 2007
    An Silvester bestand Nina darauf, eine Party zu geben. Sie hatte einen Catering-Service bestellen wollen, aber das fand Alexander zu riskant; stattdessen hatte sie die Zutaten einzeln eingekauft und den Nachmittag über die Bediensteten beaufsichtigt, die riesige Häppchenplatten zusammenstellten – Hering in Sahnesoße, gekochte Ochsenzunge, Lachskaviar, vor Mayonnaise triefende Salate, eingelegte Gurken zum Wodka. Vlad stand im Anzug an der Tür, tat, als wollte er die Gäste willkommen heißen, und tastete sie mit Blicken ab – nach unerwünschten Gesichtern, nach ausgebeulten Taschen, nach zuckenden Augenlidern. Er hatte eine Liste, mit der er ihre Namen und Ausweise abglich, und wenn er sie auf der Liste gefunden hatte – aber erst dann –, lächelte er und bedeutete einem der Bediensteten, ihnen Hors d’œuvres anzubieten.
    Nina nickte großmütig allen Eintretenden zu. Sie nahm ihnen die Jacken ab und reichte sie heimlich an eins der Dienstmädchen weiter. Alexander hielt sich etwas abseits – außerhalb des

Weitere Kostenlose Bücher