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Das Leben ist groß

Das Leben ist groß

Titel: Das Leben ist groß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Dubois
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sondern Ihre Jugend.
    Er sollte es doch schaffen, seinem eigenen Rat zu folgen.
    Alexander schlug sich leicht mit der flachen Hand auf die Wange. Er hatte gerade an einer Liste von ungefährlichen Unterkünften und Restaurants für Irinas, Viktors und Boris’ Fahrt nach Perm gearbeitet. Er ging davon aus, dass Irina nach wie vor fahren würde, obwohl sie vor kurzem eine Woche lang verschwunden war und er nicht aus ihr hatte herausbekommen können, warum. Er hatte Viktor in ihr Hostel auf der Wassiliewski geschickt, und Viktor hatte berichtet, es sei ein alberner Laden, eine Absteige für verschrobene Westler, die unnötige, vorübergehende Entbehrungen suchten, um hinterher etwas zu erzählen zu haben. Es war wahrhaftig kein Ort, an dem man leben sollte, wie Irina es offenbar tat. Aber das Entscheidende war, wie Viktor feststellte, dass sie Irina nicht bezahlten und nicht behaupten konnten, ihre Arbeitgeber zu sein, und dass es sie deshalb letztendlich nichts anging. Vielleicht war sie zurück nach Hause gefahren. Vielleicht war sie weitergezogen. Und Alexander wurde schlagartig bewusst, dass er nicht wusste, wo Irina hingehen könnte – wo »zurück« war und was »weiter« bedeutete.
    Irgendwann war sie wiedergekommen, hatte bleich und panisch ausgesehen und jeden, der ihr Fragen stellte, mit tödlichen Blicken gestraft. Alexander hatte sie eine Woche lang durch die ganze Wohnung verfolgt, um einen Moment unter vier Augen abzupassen und sie zu fragen, wie es ihr ging, aber sie war ihm konsequent ausgewichen. Einmal hatte er es Nina gegenüber erwähnt, und sie hatte gefragt: »Dieses Mädchen? Ist sie immer noch dabei? Bezahlst du sie inzwischen?«
    »Nein.«
    »Dann kannst du wohl kaum erwarten, dass sie hier aufkreuzt, oder? Das ist Kapitalismus, Grib. So läuft es nun mal.«
    »Das ist es nicht. Ich mache mir Sorgen um sie.«
    Nina hatte ihn desinteressiert angesehen und ihn geradeheraus gefragt, ob er sich in die Amerikanerin verliebt habe. Alexander hatte wahrheitsgemäß nein gesagt und hatte sich zur Wand gedreht, enttäuscht von Ninas Mangel an Phantasie.
    Jetzt biss er sich auf die Lippe und beugte sich über seine Notizen für Perm. Er hatte keine Ahnung, wie sie den Leutnant zum Reden bewegen sollten. Weitere Gespräche mit Gogunow hatten reichlich Informationen zu Tage befördert, mit denen man ihn hätte erpressen können, aber Alexander schreckte vor solchen Methoden zurück, und Gogunow hatte ohnehin durchblicken lassen, dass sie nicht wirken würden. Der neueste Ansatz bestand darin, dass sie sich als Filmstudenten ausgeben sollten, aber es gefiel ihm nicht, sie mit so wenig Rückhalt loszuschicken. Er hatte ihnen eine Liste mit möglichen Fragen, Standpunkten und Ideen zusammengestellt, aber es war nicht leicht, weil er den Tonfall und den Wortlaut nicht einschätzen konnte und nicht die Möglichkeit hatte, ihnen bei improvisierten Nachfragen oder beim Erkennen von Lügen zur Seite zu stehen. Sie allein loszuschicken war, wie wenn man eine Sonde auf den Mars katapultiert – er sah es vor sich, wie sie auf ihren Insektenbeinen in die Hocke ging und ihren motorisierten Kopf hin und her schwenkte. Man konnte sie dazu programmieren, zu tun, was man wollte, aber es war kein Ersatz dafür, selbst vor Ort zu sein und die Hände in den roten Sand zu graben.
    »Grib.« Nina stand in der Tür. Sie trug ein seidenes Nachthemd, das sie im Mondlicht mit einer zittrigen, fahlen Aura umgab. Sie legte den Kopf schief. »Was machst du da?« Es klang, als wollte sie es wirklich wissen.
    Er schwang sich im Drehstuhl herum und nahm die Brille ab. »Ich arbeite daran, die Kids auf Perm vorzubereiten.«
    »Ah.« Ihr Mund schien irgendwie zu verschwinden. Sie stellte sich hinter Alexander und strich über das raue Gewebe seines Polohemds. Er zog den Bauch ein, bevor sie ihn erwischen konnte. »Dauert das die ganze Nacht?«, fragte sie.
    »Was? Wieso? Hast du etwas vor?«
    Nina warf ihr Haar über die schmale Schulter zurück und setzte einen Ausdruck auf, der wohl schelmisch wirken sollte. »Ich langweile mich«, sagte sie. »Lass uns ausgehen.«
    »Ausgehen?«
    »Du und ich. Nur dies eine Mal. Mit dem Auto. Wir könnten irgendwo hinfahren, und den Sicherheitsleuten sagen wir einfach nichts davon.«
    »Das geht nicht.«
    »Alexander.«
    »Ich kann nicht.« Er rieb sich die Augen. »Du weißt, dass ich das nicht kann. Es wundert mich, dass du überhaupt fragst. Wenn ich nicht nach Perm fahren kann, wie könnte ich dann

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