Das Leben ist zu kurz für Knaeckebrot
durch Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.
Mit sogenannten »Keton-Sticks« konnte ich genau überprüfen, ob im Urin auch genügend Keton-Körper vorhanden waren, die auf einen regen Fettabbau hinwiesen. Was man alles macht! Meine gute Laune wurde monatelang von einem kleinen bepinkelten blauen oder lila schimmernden Löschblattstück bestimmt!
Die gute Laune wird von einem bepinkelten
Löschblattstück bestimmt.
Für den Hunger zwischendurch gab es tütenweise getrocknete Schweineschwarte, die in jedem Supermarkt zu bekommen war. Mir wird heute noch schlecht, wenn ich nur an den Geruch denke. Aber abgenommen habe ich tüchtig: Ich glaube um die 20 Kilo! Furchtbar einseitig, aber tatsächlich ohne zu hungern. Leider kamen die Kilos sofort zurück, wenn man aus der Fettschiene heraustrat und die Gier nach einer Scheibe Brot oder einem Stück Kuchen zu stark wurde. Das hieß: wiederholen und wiederholen.
Ende der siebziger Jahre sprach sich herum, wie gefährlich diese Diät sei, Blutwerte veränderten sich negativ, vor allem die Leber wurde wohl von der einseitigen Ernährung in Mitleidenschaft gezogen. 2003 verstarb der Doktor an Krebs, und 2005, so habe ich Wikipedia entnommen, musste die Atkins Nutritional Inc. Insolvenz anmelden.
Aber Sie haben es vielleicht gemerkt, vor einigen Jahren war Atkins plötzlich wieder da. Die nächste Generation Frauen im Fettfieber. Was las ich neulich: Die amerikanische Fleisch-Industrie hat mit vielen Millionen Dollar Studien finanziert, die die Wirksamkeit von Atkins nachweisen. Na also, geht doch.
Abnehmen ohne hungern - wer‘s glaubt
Einen exotischen Versuch des Abnehmens unternahm ich im Dienst der Berichterstattung. Als Redakteurin einer Münchner Tageszeitung schrieb ich einen Bericht über einen Münchner Modearzt, der in seiner Praxis im Olympiadorf angeblich mithilfe von Akupunktur seine Patientinnen zu schlanken Tannen machte. Der Arzt erzählte im Interview
von seinen Wahnsinnserfolgen, Abnehmen völlig ohne Hungern! (Das war das Zauberwort, denn mit Hungern konnte ich es selbst).
Das wollte ich auch. Ich ließ mir auf eigene Rechnung für vierhundert Mark zwei Dauernadeln ins Ohr schießen (viel Geld für eine kleine Redakteurin!), um anschließend einen Zettel mitzubekommen, auf dem stand, dass ich mich in den nächsten Wochen überwiegend von Tomaten ernähren sollte. Die Nadeln würden helfen, dass ich kein Hungergefühl spüren würde. Ich müsste sie nur mehrmals täglich mithilfe eines kleinen Magneten drehen. Wie, nur Tomaten essen? Da könnte ich auch ohne Nadeln abnehmen, dachte ich kurz.
Teure Nadeln im Ohr - und dann nur Tomaten essen?
Ich fühlte mich getäuscht, sagte aber nichts. Ich hielt zwei Wochen magenknurrend Tomaten essend durch. Aber die eine Nadel entzündete sich, das Drehen tat entsetzlich weh, die Stelle an meinem Ohr wurde immer röter, heißer und dicker. Ich riss die Nadeln schließlich unter Schmerzen heraus. Das Ende des Experiments.
Wenn ich heute daran denke, werde ich wirklich wütend - einmal über die Geldschneiderei dieses »Modearztes«. Seine Methode hat sich übrigens nicht durchgesetzt. Und wütend auf mich selbst. Ich war Mitte 20 und traute mich nicht, zu ihm hinzugehen und ihn zu konfrontieren. Ich fühlte mich beschämt und irgendwie selber schuld. Ich war ja schließlich dick und hatte gehofft, ohne Anstrengung dünn zu werden. Ja, und das musste offensichtlich bestraft werden.
Anfang der achtziger Jahre bekam ich mein erstes Kind. Und ich durfte endlich meinen Bauch stolz vor mir hertragen. Ich war nicht mehr zu dick - ich bekam ein Baby, jawoll! Die Schwangerschaft war eine herrliche Zeit, ich habe endlich gegessen, worauf ich Lust hatte. Habe mir jedes Gelüst erfüllt. Bestärkt wurde ich durch ein afrikanisches Sprichwort, das mein damaliger Mann mir verraten hatte: »Für jeden Wunsch, der einer schwangeren Frau nicht erfüllt wird, bekommt das Kind einen Leberfleck!« Ich wollte ein rosiges Baby! Und aß.
Das einzig Schlimme waren die Vorsorgetermine beim Frauenarzt, bei dem mich die Arzthelferin jedes Mal auf die Waage schickte und kopfschüttelnd mein Gewicht notierte. In meinem Mutterpass stand mit gelbem Marker unterstrichen das böse Wort »adipös!« Was nicht gerade stimmungshebend war. Ich nahm in der Schwangerschaft 21 Kilo zu, was mich gewichtsmäßig erstmals über die »Hundert« katapultierte. Und durch die Geburt leider nur fünf Kilo ab (das Baby wog dreieinhalb Kilo).
Die
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