Das Leben ist zu kurz für Knaeckebrot
fühlen. Sie gehen nicht mehr zum Sport oder ins Schwimmbad, weil sie sich wegen ihres Körpers schämen. Sie werfen sich in zweimannzeltartige Umhänge, um ihre Formen zu verstecken. Sie trauen sich beruflich immer weniger zu. Sie werden misstrauisch anderen gegenüber, »die reden bestimmt über mich, dass ich so dick bin …« - und werden immer dicker.
Bei manchen Frauen, die den Kampf gegen ihre Pfunde vermeintlich aufgegeben haben, sieht man: Es ist weniger die kluge Einsicht, dass Diäten nicht die Lösung sind; nicht das gesunde Selbstbewusstsein, das stolze »I am what I am!« (Kennen Sie den kraftvollen Song von Gloria Gaynor? Power ohne Ende!), sondern leider oft eine tiefe Niedergeschlagenheit, »Ich habe doch alles versucht. Ich bin eine Versagerin.« Um bei der nächsten Superdiät dann doch wieder (kurzfristig) dabei zu sein.
Das erinnert mich an Sisyphos, eine Figur aus der griechischen Mythologie, der als Strafe unablässig einen Stein einen Berg hinaufrollen muss, weil er die Götter verärgert hat. Und immer, wenn er fast oben angekommen ist, rollt der Stein wieder hinab. Und Sisyphos fängt wieder von vorne an, den Stein hinaufzurollen, sein Leben lang. Es gibt sie, die Sisyphos-Frauen, sie rollen und rollen den schweren Stein, der ihr Gewicht ist. Und immer, wenn sie glauben, es geschafft zu haben, rollt der Stein hinunter - sprich steigt das Gewicht wieder nach oben.
Wenn wir 20 Pfund abnehmen, verlieren wir vielleicht die 20 besten Pfunde, die wir haben. Wir verlieren vielleicht die Pfunde, die unser Genie, unsere Menschlichkeit, unsere Liebe und Ehrlichkeit enthalten!?
WOODY ALLEN
Jede Frau kennt die Euphorie, wenn im Rahmen einer Diät die rigide Essensumstellung, also eigentlich das Hungern, Wirkung zeigt. Oder wie eine Freundin zu sagen pflegt: »Nie bin ich euphorischer als in den ersten vier Stunden einer Diät.« Sie kommt sich großartig, lebensfroh und sexy vor. Bis sie rückfällig wird. Das Gefühl des Versagens überschattet dann alle positiven, erfolgreichen Aspekte der Persönlichkeit und des gelungenen Lebens.
Wie kommt das? Die russische Psychologin Bluma Zeigarnik hat vor etwa 80 Jahren festgestellt, dass Menschen ungelöste Probleme, Frustration, Zurückweisungen und Misserfolge besser erinnern als Erfolge und erbrachte Leistungen. Diese Mutlosigkeit ist es vielleicht, die manchen dicken Frauen die Antriebskraft nimmt, ihr Leben rings um ihr Gewicht fröhlich und erfüllend zu gestalten.
Die Geschichte vom Suppenkasper
Und manchmal ist es sogar die Angst davor, dünner zu werden. Bis vor Kurzem habe ich mir selbst auch meine »Dicken-Legende« zurechtgelegt. Kennen Sie die Geschichte vom Suppenkasper? Sie stand, dramatisch illustriert, im »Struwwelpeter«, diesem Kinderhasser-Buch meiner Kindheit, in dem Daumenlutschern schnipp, schnapp der Daumen abgeschnitten wird; in dem der fröhliche Hans-Guckin-die-Luft ins Wasser fällt und ertrinkt, und eben der
Suppenkasper dran glauben muss, weil er nicht hören kann! - Der pure Sadismus.
In Kürze zusammengefasst: Der Knabe Kasper wollte seine Suppe nicht essen, jeden Tag wurde sie neu aufgetragen, aber immer schrie der Junge trotzig: »Ich esse meine Suppe nicht. Nein, meine Suppe ess ich nicht.« Und von Tag zu Tag wurde er dünner. Das Ende der Geschichte: »Am fünften Tage war er tot.« Neben der Suppenschüssel prangt ein Grab mit einem Kreuz.
Bitte lachen Sie mich nicht aus - aber diese Geschichte steckte mir 50 Jahre in den Knochen. Nicht in meinem Verstand, nicht in meinen grauen Zellen, sondern wirklich tief in den Knochen. Ein bisschen albern, denken Sie vielleicht. Aber ich gestehe, in meinem Inneren gab es bis vor Kurzem die Überzeugung: »Wer dünn wird, stirbt.« Das bedeutete natürlich eine ewige Zerreißprobe: Bleibst du dick, stirbst du (sagen dir jedenfalls alle), und wenn du dünn wirst, stirbst du auch (siehe Suppenkasper).
Nicht gerade die beste Motivation zum Abnehmen, denken Sie? Bingo. Ich weiß nicht, ob es wirklich der verdammte Struwwelpeter war oder ein mögliches Geburtstrauma (das möchte ich auch gar nicht herausfinden), die mir Angst vorm Dünnwerden gemacht haben. Oder die Tatsache, dass ich einige liebe Menschen an Krebs habe sterben sehen - und die wurden im Lauf ihrer Krankheit wirklich von Woche zu Woche immer dünner. Vielleicht legt sich mein pfiffiges Gehirn auch nur solche Erklärungen bereit, um meine Abnehmfaulheit zu erklären, es mir schönzureden, dass ich lieber alles
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