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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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mitsamt rosa Plastikdeckel, und unter dem Fenster stand eine avocadogrüne Badewanne mit geschwungenen Chromgriffen. Die faulenden Dielen unter dem Klo waren geflickt worden, und Linoleum mit blauweißem Mosaikmuster bedeckte den ganzen Boden. Wenn man farbenblind war, war es ganz entzückend.
    Während ich den Raum musterte, fiel mein Blick auf einen weißen Zahnbürstenhalter aus Porzellan, der an der Wand über dem Waschbecken hing. Ich beugte mich vor und musterte ihn verstohlen, während sich alle in Ahs und Ohs über das Bad ergingen. Ja, er war es eindeutig. An einer Seite war ein kleines Stück abgesprungen, wahrscheinlich als ich ihn in den Container geworfen hatte. Er war sehr schick - die geraden Linien, das skandinavische Design. Aber ganz ehrlich, bei Licht betrachtet war es nur ein Zahnbürstenhalter. Der Gedanke, dass ich mich darüber so hatte aufregen können!
    Dann drehte Mr. Ali das Wasser auf, um vorzuführen, dass alles funktionierte. Als er die Toilettenspülung betätigte, dampfte es. Er starrte irritiert in die Schüssel.
    »Kleine Fehler. Vielleicht falsche Rohr. Wir machen schnell Reparatur.«
    »Aber mit heißem Wasser ist es viel besser!«, rief Mrs. Shapiro. »Sie sind wirklich ein Clever-Knödel, Mr. Ali.« Er strahlte sie an. »Farben finden Sie schön?« »Das Rosa besonders«, sagte sie. »Besser als das Grün.« »Wunderbar«, sagte ich.
    »Wunderbar«, stimmte Ms. Baddiel zu, die das Original gesehen - und gerochen - hatte.
    »Es gibt einen neu entwickelten flexiblen Antibruchfliesenkleber, der auf einem thixotropen Gel basiert«, erklärte Nathan und nahm eine Tube aus seinem Vorführkoffer. »Falls Sie daran denken, die Fliesen auszuwechseln.«
    Nathans Tati räusperte sich und sang ein Stück des Torero-Lieds aus
Carmen,
das in dem kleinen Raum widerhallte.
    »Gute Akustik!«, befand er. Alle klatschten, außer Nathan.
    Die Nichtsnutze teilten sich das Zimmer mit dem weißen Plastikfenster. Die Betonsteine waren verspachtelt und gestrichen, so dass es von innen nicht so schlimm aussah. Auch die Wände waren frisch weiß gestrichen, und die Betten waren ordentlich gemacht, die weinroten Samtvorhänge dienten als Tagesdecke. Ihre Schuhe, gefalteten Kleider und Tüten standen ordentlich an einer Wand. Ich fing Nathans Blick auf. »Picobello«, war alles, was er dazu sagte.
    Mrs. Shapiros Schlafzimmer war unberührt, die Tapete ein verblasster, farbloser Braunton mit schlammgrauen Streublumen.
    »Hier machen wir als Nächstes. Welche Farbe möchten Sie?«, fragte Mr. Ali.
    Sie drückte die Finger gegen die Stirn, während sie versuchte, sich ihr neues Zimmer vorzustellen.
    »Was ist mit dem Penthouse?«, flüsterte ich Mr. Ali zu. »Haben Sie schon angefangen?«
    »Noch nicht. Wir räumen aus. Jungs verbrennen Müll. Aber langsam.«
    »Sie verbrennen alle Papiere?« Ich stellte mir vor, wie unbezahlbare historische Dokumente in Flammen aufgingen. »Mrs. Shapiro? Haben Sie nicht Ihre Sachen dort oben?«
    »Ach, das ist nur der Müll von den Vorbesitzern«, sagte sie wegwerfend. »Hier haben vorher irgendwelche religiösen Figuren gewohnt. Orthodoxe oder Katholiken oder so was. Die haben ihren ganzen Müll hiergelassen und sind einfach davongelaufen.«
    »Davongelaufen?«
    »Bei den Bombenangriffen. Sie sind davongelaufen und haben alles hiergelassen. Ach, Eau de Nil.« »Aber wer ...?«
    »Nilgrün ist die hübscheste Farbe für ein Schlafzimmer, nich wahr?«
    »Eine hervorragende Wahl«, raunte Nathans Tati wohltönend in Mrs. Shapiros Ohr, wobei seine Bartspitze über ihre Wange strich.
    Als wir wieder die Treppe hinuntergingen, reichte er Mrs. Shapiro den Arm, und sie stützte sich leicht darauf. Unter all dem Rouge schien sie zu erröten. Mein Plan ging auf!
    Das letzte Zimmer war das große Wohnzimmer vorn im Erdgeschoss - das Zimmer, in dem der Flügel stand. Der Gestank ließ uns zurückprallen, als wir eintraten, und bei Licht wurde klar, warum der Raum nicht mehr benutzt wurde. Mr. Ali hatte die Bretter von den Fenstern genommen, und jetzt sahen wir die durchhängende Decke und den großen Riss im Erker, der so breit war, dass das Grün der Araukarie auf der anderen Seite durchschimmerte. Eine Spur schlammiger Pfotenabdrücke führte von dem Riss über den Teppich zur Tür mit der kaputten Klinke. Das erklärte, wie der Phantomscheißer rein und raus kam -auch wenn ich immer noch nicht wusste, wer der Schuldige war. Aber das war das geringste unserer Probleme.
    Nathan,

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