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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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so lange her. Was ist bloß mit all den Jahren geschehen?«
    Sie hatte Tränen in den Augen. Ms. Baddiel beugte sich zu ihr und nahm sie in ihre rundlichen Arme. Dann zog sie ein nach Vanille duftendes Taschentuch aus der Handtasche.
    »Schon gut, lassen Sie es einfach raus. Atmen Sie tief ein. Halten Sie die Luft. Und jetzt atmen Sie mit einem Seufzer aus. So. Wunderbar.«
    Violetta streckte die Pfoten aus und rieb den Kopf an Mrs. Shapiros Schenkel. Tati legte ein Stück Holz nach - beunruhigenderweise sah es aus wie ein antikes Stuhlbein - und bückte sich, um Wonder Boy zu streicheln, der sich auf den Rücken rollte, die Beine hingebungsvoll gespreizt, und zu schnurren anfing. Nathan und ich tauschten ein Lächeln. Nabil ging in die Küche und setzte noch eine Kanne Kaffee auf. Ismael bot allen eine Camel-Zigarette aus seinem Päckchen an.
    »Sind Sie Mrs. Shapiros Betreuer?«, fragte Ms. Baddiel.
    »Hallo. Ja. Bitte.« Er ließ seine schönen Zähne aufblitzen.
    Sie nahm das Notizbuch mit dem Labradorwelpen heraus und notierte etwas. Dann kam Nabil mit einer dampfenden Kanne Kaffee und frischen Tassen aus der Küche zurück.
    »Und Sie? Sind Sie auch ein Betreuer?«
    »Hallo. Ja. Willkommen!«
    »Dann haben Sie möglicherweise Anrecht auf Betreuungsgeld«, erklärte sie. »Zumindest einer von Ihnen. Das Betreuungsgeld steht einer Person zu, die sich mindestens fünfunddreißig Stunden die Woche um jemanden kümmert, der Pflegegeld bezieht. Haben Sie das schon beantragt, Mrs. Shapiro?«
    »Wofür brauche ich Betreuung?«, fragte Mrs. Shapiro. Sie schniefte immer noch ein bisschen.
    »Wissen Sie«, Ms. Baddiel hielt ihr ein frisches Taschentuch hin, »nach allem, was Sie mitgemacht haben, Mrs. Shapiro, denke ich, Sie haben etwas Hilfe verdient. Natürlich können Sie das ganz allein entscheiden.«
    Eine dünne getigerte Katze sprang auf ihren Schoß. Sie kraulte ihr mit den kleinen Bratwurstfingern das Fell, worauf die Kurze so heftig schnurrte, dass sie zu sabbern anfing und Ms. Baddiel noch ein Taschentuch herausholen musste. Nathans Tati saß daneben und sah mit derart ernstem Blick zu, dass ich fürchtete, sie würde auch ihm gleich ein Taschentuch reichen müssen.
    Dann klingelte es wieder. Ismael stand bereits, und so ging er an die Tür. Ich hörte ihn lebhaft reden, dann antwortete eine zweite, ruhigere Stimme. Einen Moment später gesellte sich Mr. Ali zu uns ins Arbeitszimmer. Er und Ismael diskutierten immer noch auf Arabisch, und jetzt mischte sich auch Nabil ein.
    Mr. Ali wandte sich an Mrs. Shapiro.
    »Sie sagen, sie wollen hierbleiben. Sie sagen, sie können ganzes Haus anmalen und reparieren und helfen sauber halten. Ich mache natürlich Oberaufsicht. Sie zahlen nur Materialkosten.«
    Ich sah ein kurzes Flackern in Mrs. Shapiros Augen. Sie sagte nichts.
    »Sie wissen, in unserer Kultur wir haben viel Respekt für alte Menschen«, fuhr Mr. Ali fort. »Aber ich glaube, Sie wollen vielleicht nicht junge Männer in Ihr Haus haben, Mrs. Shapiro?«
    Alle Blicke waren auf Mrs. Shapiro gerichtet. Sie sah sich um. Ihre Augen waren noch feucht, doch ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, oder vielleicht von zu viel starkem Kaffee, und ich sah, wie ihr Mund zuckte, während sie die Alternativen abwog.
    »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht.« Theatralisch legte sie sich die Hand an die Stirn und strich mit der anderen über Wonder Boys verfilzten Bauchpelz. »Wonder Boy, was meinst du?« Wonder Boy schnurrte ekstatisch. »Na schön. Wir versuchen es.«
    Alle stießen einen Seufzer der Erleichterung aus.
     
    Mr. Ali führte uns durchs Haus, um uns die Reparaturen zu zeigen, die er durchgeführt hatte. Der schmuddelige Eingangsbereich war weiß gestrichen und sah viel heller aus, und die losen Bodenfliesen waren repariert oder durch glänzende weiße Badezimmerfliesen ersetzt worden. Als wir die Treppe hinaufstiegen, bemerkte ich entsetzt, dass sie das herrliche alte Mahagonigeländer passend zur Tür gelb lackiert hatten, aber Mrs. Shapiro schien es nicht zu stören.
    Die dramatischste Veränderung aber war im Badezimmer geschehen. Die originalen angeschlagenen und gesprungenen Fliesen waren noch an der Wand, doch darunter hatten sie ein komplett neues Badezimmer eingebaut. Naja, neu war es nicht - es sah aus wie aus den Sechzigern und stammte wahrscheinlich aus einem Haus, das renoviert wurde. Beziehungsweise aus zwei Häusern. Auf einer Seite waren ein großes rosarotes Waschbecken und ein passendes Klosett

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