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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Bargeld in der Tasche nach Israel zurückzufahren.«
    »So wie du versucht hast, mich zu überreden?«
    »Das war etwas anderes. Ich habe nicht für einen Käufer gehandelt. Na, na! Schlimmer Damian.« Seine Stimme triefte vor Missbilligung. »Ich habe dir ja gesagt, dass sie Gauner sind. Und dabei ist es nur ein Dreitürer mit Fließheck aus der 1er Reihe.«
    »Du meinst, das Anfängermodell.«
    Ich versuchte mir Damian mit seinem gegelten Haar am Steuer eines gebrauchten BMW vorzustellen. Der kleine Scheißer!
     
    Gegen fünf dachte ich gerade darüber nach, was ich mir zum Abendessen machen sollte, als Rip anrief. Ich hörte zu, wie er mit seiner Nie-dagewesene-Herausforderungen-Stimme eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterließ, ich solle ihn sofort zurückrufen. Nun, er konnte warten. Er dachte immer noch, er könnte mich herumkommandieren. Typisch. Wahrscheinlich wollte er mir sagen, dass er an Ostern mit den Kindern nach Holtham fahren wollte - zusammen mit der rotmundigen Schlampe. »Er hat gesagt, zwischen euch wäre es seit Ewigkeiten vorbei. Er hat gesagt, es würde dir nichts ausmachen.« Da war etwas am Klang von Rips Stimme auf dem Anrufbeantworter, das ... mich an Klebstoff denken ließ. Cyanoacrylat AXP-36C. Ich dachte an die Baumarkt-Tüte, die im Regal im Arbeitszimmer lag, und lächelte in mich hinein. Friede in der Welt war schön und gut, doch das galt nicht für Rip und mich. Niemals. Wenn man so verletzt wird, will man Rache, keinen Frieden.
     
    Ich rief nicht zurück. Ich ging nach oben ins Schlafzimmer und holte mein Schreibheft heraus.
     
    Das verspritzte Herz
    Kapitel 8 Ginas Rache
    Früh am nächsten Morgen machte sich Gina
weinend
gebrochenen Herzens auf den Weg zum Baumarkt in Castleford. Der Anblick des fröhlichen orangen Gebäudes ließ
ihr gebrochenes Herz hüpfen
ein Lächeln über ihre Lippen spielen. Das Innere war riesig
und unheimlich
wie in einer Kathedrale, und überall streiften unheimliche Männer durch die Gänge, die Ginas reizende Kurven mit lüsternen Blicken bedachten und vielsagende Gesten mit ihren dicken Schraubenziehern machten. Sie fand die Klebstoffabteilung, und schließlich entdeckte sie eine Tube Klebstoff, auf der in großen Buchstaben stand: ACHTUNG! HAUTKONTAKT UNBEDINGT VERMEIDEN!
     
    Ich hielt inne. Plötzlich sah ich wieder das Bild des kleinen Mädchens von der Klebstoffmesse vor mir. Menschliche Bindungen. Eine gefährliche Angelegenheit.
     
    Der letzte Anruf kam, als ich mich gerade bettfertig machte. Ich wusste, dass es Mama war - sie rief immer um diese Zeit an -, doch ich war bestürzt, als ich ihre tonlose Stimme hörte.
    »Deinem Vater geht's nicht so gut«, sagte sie. »Er muss sich an der Prostartar operieren lassen. Die Ärzte sagen, vielleicht wird er impudent.«
    Ich stellte mir vor, wie mein armer Vater mit leidgeprüftem Blick vor dem zweifelhaften Dr. Polkinson saß, der erklärte, was könne er in seinem Alter schon erwarten und dass wir alle an irgendwas sterben müssten. Der Operationstermin stand noch nicht fest, aber es würde bald nach Ostern passieren. Sofort lief mein Hirn auf Hochtouren, und ich versuchte die Logistik der Besuche in Kippax zu organisieren, überlegte, wann ich Ben bei Rip lassen und wie ich Nathans Fristen einhalten konnte.
    »Soll ich rauf nach Kippax kommen, Mama?«
    »Schon gut, Häschen. Ich weiß, wie viel du zu tun hast.«
    »Mama ...«
    Ich zermarterte mir das Hirn auf der Suche nach einem tröstlichen oder aufheiternden Spruch, doch meine Mutter kam mir zuvor.
    »Hast du von dieser Freundin von dir gehört, Carole Benthorpe?«
    »Sie war nicht meine Freundin, Mama.« Ich schauderte, als ich mich an ihre feuchten, vorwurfsvollen Augen erinnerte. »Ihr Vater war ein Streikbrecher.«
    Carole Benthorpe war einmal meine Freundin gewesen, vor dem Bergarbeiterstreik - dem kurzen Heath-Streik von 1974, nicht dem langen Thatcher-Streik von 1984-85. »Streikbrecher nehmen sich den Gewinn ohne den Einsatz«, hatte mein Vater gesagt. »Ein Streikbrecher würde nie auf seine Gehaltserhöhung verzichten, die die Streikenden für alle erkämpft haben.«
    In Kippax gab es nur vier Streikbrecher, und Caroles Vater war einer von ihnen. Danach hatte sie keine Freunde mehr.
    »Papa hat immer gesagt, mit Streikbrechern soll ich nicht reden.«
    »Ja, da hatte er auch recht«, sagte Mama. »Aber sie war kein Streikbrecher, oder? Sie war nur ein kleines Mädchen.« Sie seufzte. Mit einem Mal war ihr alles zu schwer.

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