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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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dringende Reparaturen anstanden und dass Mr. Ali und seine Helfer deswegen geholt worden waren. Er schnaufte argwöhnisch und lehnte sich zurück. Dann war da der Sicherheitsaspekt, erklärte ich, berichtete von dem gestohlenen Schlüssel und dem abgedrehten Haupthahn und deutete an, dass möglicherweise Mrs. Goodney involviert war. Jetzt horchte er auf. Die Braue über dem Glasauge begann zu zucken.
    »Diese Goody mit ihrem kleinen Helferlein denkt, ich kann nur bis zwei zählen. Sie denkt, ich verkaufe mein Haus billig, damit sie ein paar schnelle Frösche aus mir rausholen kann. Aber ich habe andere Pläne.«
    »Es ist nicht dein Haus, Chaim.«
    »Es ist das Haus meines Vaters. Wie der Vater so der Sohn.«
    »Es ist mein Haus«, zischte Mrs. Shapiro. »Als dein Vater starb, hat er es mir geschenkt.«
    »Was für Pläne haben Sie denn, Mr. Shapiro?«, unterbrach ich, um mit der Unterhaltung weiterzukommen.
    »Ich plane, ein paar größere Renovierungen hier in
meinem
Haus durchzuführen.« Der ganze Tisch schnappte nach Luft. Wonder Boy begann mit der Schwanzspitze zu peitschen. »Ich bin nämlich selbst ein geistreicher Handwerker. Ich habe bereits einen Werkzeugkasten erstanden.« Er blickte sich am Tisch um, doch niemand sah ihm ins Auge. Ich spähte heimlich zu Mr. Ali hinüber, sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Chaim, Darlink, deine Mutter würde ihre eigenen Kischkes essen, wenn sie dich so reden hörte. Sie hat alles aufgegeben, um das neue Israel aufzubauen. Ein schönes Heimatland für die Juden. Warum bleibst du nicht dort? Warum kommst du jetzt zurück und willst mich auf die Straße setzen?« In ihrer Stimme lag ein jammernder Ton.
    »Niemand setzt dich irgendwohin, Ella. Du setzt dich selbst auf die Straße, indem du mit diesen Arabern lebst.« »Die beiden sind meine Betreuer.«
    »Ella, du hast nicht alle Schrauben fest. Alle Araber sind gleich - sie warten nur auf die Gelegenheit, die Juden ins Meer zu stoßen.«
    Am anderen Ende des Tischs flüsterte Mr. Ali Ismael etwas zu. Die Betreuer blickten mürrisch drein.
    »Niemand stößt hier irgendwen ins Meer. Das Meer ist weit weg, Chaim. Das Meer ist in Dover. Ich bin mit Arti dort gewesen.« Sie hatte kämpferisch das Kinn vorgereckt.
    »Ich kenne diesen Dover Beach. Wo von Alarmen, die sie nicht verstehen, gehetzt bei Nacht zwei Armeen baden.« Chaim Shapiro schnalzte mit der Zunge, griff nach dem Glas und trank sein Wasser in kleinen Schlucken, als müsste er sich abkühlen.
    Mrs. Shapiro starrte ihn an. Dann beugte sie sich zu mir und flüsterte: »Wovon redet er, Georgine?«
    »Das ist ein Gedicht von Matthew Arnold.« »Ein Gedicht? Ist er verrückt?«
    »Ich rede von Terrorismus, Ella. Sieh dir mein blindes Auge an. Was habe ich getan? Nichts. Ich habe dagesessen und mich um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert.« Er ließ heftig die Knöchel knacken, während er sprach, aus Nervosität oder Wut.
    »Wir sind jetzt in London, Chaim. Nicht in Tel Aviv.«
    »Und du weißt, dass sie auch hier in London mit den Bomben angefangen haben.«
    Mr. Ali übersetzte für Ismael, der sich zu Nabil beugte und ihm zuflüsterte. Alle drei machten finstere Gesichter. »Wir sind bereits auf dem dunkelnden Feld.«
    »Darlink Chaim, das hier ist ein Haus, kein Wanderparcours. Bitte, bleib ganz ruhig. Und das hier sind meine Betreuer, keine Selbstmordniks. Schau her, sie haben sogar Tiere gern.«
    Nabil hatte die Hand ausgestreckt und kraulte Wonder Boy hinter den Ohren, dessen rhythmisches Schnurren einen beruhigenden Hintergrund für das gereizte Gespräch abgab. Wenn nur jemand auch Chaim Shapiro hinter den Ohren kraulen würde, dachte ich.
    Jetzt sprach Mr. Ali, und seine Stimme zitterte vor Entrüstung. »Araber, Christen, Juden haben viele Generationen nebeneinander gelebt. Haben Geschäfte gemacht. Kein Broblem. Kein Bogrom. Kein Konzentrationslager. Wir haben euch sogar Teile von unser Land verkauft. Aber das reicht euch nicht. Ihr wollte das ganze verdammte Land.«
    Chaim Shapiro ignorierte ihn und wandte sich mit lehrerhaftem Ton an mich: »Alle Palästinenser kommen mit der gleichen Geschichte. Kommen mit irgendeinem alten Schlüssel, sagen, das ist der Schlüssel zu meinem Haus. Ihr müsst sofort ausziehen! Aber als meine Mutter nach Israel kam, lebte dort keiner. Es war leer wie in der Wüste. Alles verlassen. Die Einwohner hatten sich davongemacht.«
    »Weil sie mit Waffen verjagt worden!«, versuchte Mr. Ali zu schreien, doch seine Stimme brach,

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