Das Leben kleben
so dass der Ausruf mit einem Quieken endete. Als ich ihn das letzte Mal so wütend gesehen hatte, saß er am Fuß der Leiter im nassen Gras.
»Wenn ihr mit uns in unserem Land leben wollt, müsst ihr einfach nur aufhören, uns anzugreifen. Das ist doch wohl fair?« Chaim grinste und breitete theatralisch die Hände aus.
Einatmen - zwei - drei - vier. Ausatmen - zwei - drei - vier.
»Hören Sie, wir werden die Probleme der Welt nicht an einem Tag lösen«, sagte ich aufmunternd. »Aber es ist ein großes Haus. Erst recht, wenn das Penthouse fertig ist. Vielleicht können Sie hier alle zusammen wohnen.«
Jetzt starrten mich alle an, und ich spürte, wie ich unter dem kollektiven Blick dunkelrot anlief. Eigentlich waren alle Gesichter inzwischen ziemlich rot, vor allem das von Mr. Ali, der mich an eine Rote Bete erinnerte. Wonder Boy begann zu knurren wie ein Hund und peitschte mit dem Schwanz von einer Seite zur anderen.
»Ich will mein Haus nicht mit drei Arabern teilen«, schrie Chaim Shapiro. »Chaim«, sagte Mrs. Shapiro beruhigend, »der Paki wohnt gar nicht hier. Er ist nur zu Besuch.«
»Du verstehst die Mentalität der Araber nicht, Ella. Sie lassen uns nicht in Frieden. Glaubst du, Israel würde heute noch existieren, wenn die Hälfte der Bevölkerung Araber wären, die es von innen zerstören wollen?«
Ich spürte die Wut in mir aufkochen, als ich an die Zwillingsbabys dachte, schwer wie Wassermelonen, und den Soldaten mit der tätowierten Nummer auf dem Arm.
»Aber Sie können nicht erwarten, dass Menschen einfach ihre Häuser und ihr Land aufgeben, ohne sich zu wehren!«
Mr. Ali übersetzte für die Betreuer, die in meine Richtung nickten. Chaim Shapiros Gesicht war schweißüberströmt, und sein gesundes Auge zwinkerte heftig.
»Ha! Dann haben wir auch das Recht auf Selbstverteidigung! Jedes Mal, wenn ihr einen Schlag gegen Israel macht, schlagen wir stärker zurück. Ihr schickt uns selbst gebaute Raketenwerfer, wir schicken euch amerikanische Kampfhubschrauber. Bumm bumm bumm!« Er zielte mit der Hand wie mit einer Pistole über den Tisch. Dann wandte er sich an mich. »Wie euer unsterblicher Barde William Shakespeare sagte, tut kleines Unrecht, um ein großes Recht zu tun! Schön ist es nicht, aber notwendig, Miss Georgiana.«
Als ich schwieg, beugte er sich mit einem Ruck über den Tisch und hämmerte auf die Platte wie Sperrfeuer. »Bumm bumm bumm! Bumm bumm bumm!«
Wonder Boy, der immer noch auf dem Stuhl am Kopfende des Tisches saß, legte die Ohren an, fauchte und bleckte seine schrecklichen Fänge. Dann sprang er plötzlich auf den Tisch, machte einen Buckel, sträubte den Schwanz, warf sich fauchend auf Chaim Shapiro und schlug ihm die Klauen ins Gesicht. Chaim wehrte sich und versuchte den riesigen Kater loszuwerden, doch Wonder Boy hielt sich fest, mit peitschendem Schwanz und scharfen Krallen. Erschrocken schrie Mrs. Shapiro beide an.
»Halt! Chaim! Hör auf! Wonder Boy! Raus mit dir!«
Der Kater fauchte und floh, wobei er den Krug umwarf, so dass uns das Wasser auf den Schoß lief. Chaim Shapiro zog ein Taschentuch heraus und tupfte sich die blutende Wange ab. Als er aufsah, hatte sich sein Glasauge grotesk in der Höhle verdreht. Man sah nur noch das Weiße, das uns mit leerem Blick anstarrte wie ein hart gekochtes Ei.
Alle wurden still, bestürzt über die Eskalation der Ereignisse, und ein Gedanke kam mir, so klar, als flammte in meinem Kopf eine Glühbirne auf: diese Leute sind alle vollkommen verrückt.
In einem anderen Teil des Hauses hörten wir einen bedrohlichen Tierschrei -Wonder Boy machte sich über sein nächstes Opfer her (eine Katze, nahm ich an, denn Mrs. Shapiros Hausschuhe befanden sich an ihren Füßen). Es war Mrs. Shapiro, die als Erste die Sprache wiederfand. Ich sah einen taxierenden Blick in ihren Augen, als sie sich vorbeugte und Chaims Arm tätschelte.
»Darlink Chaim, du musst nicht kämpfen. Wenn du kein Heim hast, kannst du hier bei uns wohnen. Du kannst jedes Zimmer haben, das du willst - außer meinem natürlich. Du kannst nach Herzenslust alles renovieren, mit deinem Werkzeugkasten. Einbauküche. Spülmaschine. Mikrowelle. Mein Nicky hat mir gesagt, was man alles für eine moderne Küche braucht.« Sie nahm seine Hand und drückte sie. »Wir geben Dinnerpartys mit kultivierter Unterhaltung. Konzerte am Abend. Sogar Gedichtlesungen, wenn es das ist, was dir gefällt.« Ich sah, wie sein Gesicht bei dieser erfreulichen Vorstellung weich wurde.
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