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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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drüben.« Penny wiegte die Hüften, während sie sprach. »Nathan hat seinen Vater mitgebracht.«
    Sie gab mir einen kleinen Schubs. Ich taumelte in die Menge hinein. Ich war nicht in Partystimmung gewesen, doch die Atmosphäre war ansteckend, und ich bahnte mir im Rhythmus der Musik den Weg durchs Gedränge.
    »Das ist Sheila.« Penny stellte mir ein Mädchen etwa in Stellas Alter vor, das nichts als einen Streifen Satin trug - das Minimum an Stoff, das man noch Kleid nennen konnte - und mit einem jungen Schwarzen rumknutschte, der etwa eins neunzig, schlank und bildschön war. In einer Hand hielt er ein Glas Wein und in der anderen eine Zigarette. Sie rieben heftig die Hüften aneinander. Penny schob sich an ihnen vorbei und führte mich tiefer ins Getümmel.
    »Da drüben, der Große, das ist Emery, einer der Freien für
Fertigbau.
Hab ich dir von seiner kleinen Operation erzählt?«, flüsterte sie. »Nein, äh, was ...«
    Ich fragte mich, was Penny den anderen von mir erzählte.
    »Hier, das ist Paul. Paul, das ist Georgie. Du weißt schon, von
Klebstoffe.«
    Paul war schmächtig und ließ schüchtern die Schultern hängen. Auf dem Unterarm hatte er ein Yin-Yang-Zeichen tätowiert.
    Er nickte in meine Richtung und tanzte weiter, wie hypnotisiert von einem winzigen dunklen Mädchen, das ihren Torso vor ihm kreisen ließ. Als ich mich umdrehte, war Sheila verschwunden, und ihr großer Beau kam auf mich zu. Ich spürte, wie meine Knie nachgaben, und merkte, dass mein Becken ungewohnt kreisende Bewegungen machte. Er kam näher.
    »Hallo, Schönheit. Ich bin Pennys Cousin«, rief er mir über die Musik hinweg zu. »Darryl Samson. Ich bin Arzt.«
    Bei so einem Arzt würde wohl jede Patientin gern bettlägerig, dachte ich. Ein etwas anderer Typ als der schmierige Dr. Polkinson aus der Praxis in Kippax.
    »Ich bin überrascht, dass Ihre Patienten überhaupt gesund werden wollen.«
    Sein Lachen war tief und schlüpfrig.
    »Ich bin Georgie. Ich bin ... Schriftstellerin.«
    »Oho!«
    Ich spürte, wie er das Becken - und nicht nur das Becken - an mich drückte. Dann tauchte Penny wieder auf, griff nach meiner Hand und zog mich weg.
    »Komm, du brauchst was zu trinken.« Sie warf Darryl einen warnenden Blick zu und er hob mit einem entschuldigenden Grinsen die Hände.
    »Bei dem musst du aufpassen. Er ist der Schwager meiner Schwester. Glaub kein Wort von dem, was er dir erzählt.«
    »Ist er Arzt?«
    »Ha!« Sie warf den Kopf zurück. »Da gab es schon ein paar Beschwerden. Lucy hat er erzählt, er wäre Gynäkologe. Und sie hat ihm geglaubt.«
    Als ich mich umsah, bewegte er sich mit der gleichen lässigen Frechheit über die Tanzfläche wie Wonder Boy, warf sich zwischen Paul und das Mädchen mit dem kreiselnden Torso, und in null Komma nichts tanzten die beiden, Becken an Becken. Ich stand an der Bar, hielt mich an meinem Glas Rotwein fest und ärgerte mich ein bisschen über Penny, als sie plötzlich in die Menge tauchte und jemanden in meine Richtung zog. »Georgie, hier ist jemand, den du unbedingt kennenlernen musst.«
    Ich starrte ihn an. Es war unglaublich. Die Hornbrille. Die tiefblauen Augen. Das dunkle Haar, aus der intellektuellen Stirn gekämmt. Ja, eindeutig männlichattraktiv und intelligent - ihm fehlte nur noch der weiße Kittel. Und vielleicht ein paar Zentimeter mehr. Gut, er war klein - aber spielte das eine Rolle? War ich so oberflächlich, dass mir ein Mann nicht gefiel, nur weil er zwei Zentimeter kleiner war als ich? Darüber dachte ich nach, als mir der kleine intelligente Prachtkerl die Hand entgegenstreckte.
    »Hallo. Ich bin Nathan.«
    »Ich bin Georgie.« Ich spürte, dass ich rot wurde. »Schön, dass wir uns endlich kennenlernen.«
    »Die Rose von Chattahoochee.« »Wie bitte?«
    »Georgia. Du weißt schon, der Chattahoochee River.«
    »Oh. Geographie ist nicht meine Stärke«, murmelte ich. Schon hatte ich mich als Dummchen geoutet. Mir fiel auf, dass sein mitternachtsblaues Seidenhemd zu seinen Augen passte und in seinem dunklen Designer-Dreitagebart attraktive silberne Sprengsei blitzten.
    »Tolles Kleid.«
    »Danke. Das ist von ...« Am Ärmel war ein kleiner Kotzefleck, aber wahrscheinlich hatte er ihn nicht bemerkt.
    »Ich habe mich darauf gefreut, dich kennenzulernen, Georgia.« Die dunkle, vertrauliche Stimme mit nur einer Andeutung seiner transatlantischen Herkunft in den Vokalen. Mir wurde bewusst, dass unser einziges Thema in all den Jahren Klebstoff gewesen war. Sollte ich ihm

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