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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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auf, und während das Wasser heiß wurde, hörte ich den Anrufbeantworter ab. Eine Nachricht von Mark Diabello, der mich um einen Rückruf bat, wenn ich Zeit hatte; eine von Nathan von
Klebstoffe in der modernen Welt,
der mich an die neue Abgabefrist erinnerte, eine Nachricht von Pete dem Muskelpaket - keine Ahnung, was der wohl wollte - und eine knappe, gebieterische Vier-Wort-Nachricht von Rip: »Ruf mich sofort zurück.« Das konnte er vergessen. Ich versuchte Rips Nachricht zu löschen und löschte aus Versehen alle. Jetzt musste ich daran denken, jeden zurückzurufen. Ein andermal. Ich hängte einen Teebeutel in eine Tasse und suchte im Kühlschrank nach Milch. Mist. Keine mehr da. Ich war immer noch wütend wegen Rips Nachricht - dieser Ton! Es war noch nicht lange her, dass er mir liebevolle Nachrichten hinterlassen hatte. Was war mit der Zärtlichkeit passiert?
    Ich suchte nach Milchpulver, dann schenkte ich mir stattdessen ein Glas Wein ein. Und dann noch eins. In der Küche war es so still. Noch zwei Tage. Das Telefon klingelte. Es war Mark Diabello.
    »Georgina, du bist zu Hause. Ich habe ... äh ... ein paar Recherchen angestellt. Soll ich vorbeikommen?«
    Ich hätte eine Entschuldigung erfinden und auflegen sollen, aber der Wein machte mich sentimental, und die Melassesüße seiner Stimme erfüllte mich mit unerwarteter Sehnsucht. Nein, nicht nach Sex - ich sehnte mich nach jemandem, der nett zu mir war.
    »Tut mir leid, dass ich nicht zurückgerufen habe. Ich war ein bisschen ...«
    Ich brachte das Ende des Satzes nicht heraus. Ein Schluchzen überkam mich und spülte die Worte weg. Zehn Minuten später war er da.
    Wahrscheinlich hatte ich auf ein bisschen Zärtlichkeit gehofft, doch als Mark Diabello vor der Tür stand und mich ansah, wusste ich, dass er nur Sex im Angebot hatte. Er führte mich stracks ins Schlafzimmer, wo er mit einem erfreuten Murmeln bemerkte, dass die Satin-Velcro-Handschellen noch an den Bettpfosten hingen. Dann hatte er sein Hemd ausgezogen, und meine Bluse, und seine Hose, und mein Rock war hochgerutscht und ... was dann passierte, ist viel zu abstoßend, um es zu beschreiben. Er ging die Etappen durch wie jemand, der sich durch die Gebrauchsanweisung eines Autos arbeitet, und ich ergab mich mit der Leidenschaft eines Ford Fiesta bei der Hundertdreißigtausend-Kilometer-Inspektion.
    Als das Bettzeug auf meiner Haut abkühlte und meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnten, sah ich, dass seine Kleider auf dem Stuhl ordentlich gefaltet waren, während meine mit der Steppdecke verknäult am Boden lagen. Er nahm mich in die Arme und strich mir das Haar aus der Stirn.
    »Georgina, du bist eine sehr sensible Frau. Das gefällt mir.«
    »Du gefällst mir auch.« Ich zwang mich, es zu sagen, aber die Worte fühlten sich hölzern und spröde in meinem Mund an. Ich legte die Wange auf seine feuchte Brust, die nach Schweiß und Moschusseife und Chlor roch.
    Er streichelte meine Wange. »Du bist etwas Besonderes. Ich meine ... du bist anders. Ich würde dich gern öfter sehen, Georgina.«
    »Mhm«, brummte ich unverbindlich.
    Die Gefühlsduselei war wahrscheinlich geschauspielert, dachte ich, und er wollte doch nur Sex von mir.
    Beim letzten Mal hatten wir nicht über Mrs. Shapiro und Canaan House gesprochen, wie in schweigender Übereinkunft, als schwebte unsere Beziehung in einer Blase über der Welt und ihren schmutzigen Geschäften. Doch an der Art, wie er seine Kleider gefaltet hatte, war etwas so
Methodisches.
    »Weißt du, Mark, ich habe immer noch Fragen zu dem Haus ...«
    »Was fragst du dich, Liebling?«
    »... was du und dein Partner vorhabt.«
    »Weißt du, ich könnte dich das Gleiche fragen, Georgina. Warum bist du überhaupt zu uns gekommen und wolltest ein Gutachten? Sie ist nicht deine Tante. Es ist klar, dass sie nicht verkaufen will - weshalb also dieses plötzliche Interesse deinerseits?« Er stützte sich auf einen Ellbogen und studierte mein Gesicht. »Das frage ich mich die ganze Zeit - was versprichst du dir davon? Warum hast du die ganze Sache angefangen?«
    Ich schnappte nach Luft. Er dachte ... er dachte,
ich
wäre wie
er.
Mrs. Goodney, erinnerte ich mich, hatte mir den gleichen Vorwurf gemacht.
    »Ich habe gar nichts angefangen.« Plötzlich erinnerte ich mich wieder lebhaft an die rostige Stimme, die in das Handy geplärrt hatte. Ich erinnerte mich daran, wie sie Mrs. Shapiro genannt hatte - eine alte Schachtel. »Es war diese Frau vom Sozialdienst. Sie

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