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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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Interesse - wie viel hat Hendricks & Wilson angesetzt?«
    »Sieben Millionen«, sagte ich dreist.
    »Du lügst mich an.«
    »Vielleicht lügst
du mich
an.«
    Lachend legte er den Kopf in den Nacken, um seine Krawatte zu binden, so dass ich den attraktiven Wuchs der Nachmittagsstoppeln um das hübsche Grübchen in seinem Kinn sehen konnte. Das Velcro rieb an meinen Handgelenken.
    »Mark, du hast vergessen ...«
    »Ach, ja.« Er beugte sich vor und löste die Klettverschlusse. Sie hingen schlaff von den Bettpfosten, als er hinaus in die Dämmerung ging und ich meine zerknitterten Kleider zusammensuchte.
     

27 - Alt und unbegreiflich
    Am nächsten Tag goss es in Strömen, und ich saß an meinem Laptop und versuchte mich auf Klebstoffe zu konzentrieren. Haftmittel. Aus irgendeinem Grund wanderten meine Gedanken immer wieder zu Klettverschlüssen - faszinierende Erfindung. All die aufregenden kleinen Häkchen. Nach einer Weile gab ich auf, zog die Gummistiefel an und machte mich auf den Weg zu Mrs. Shapiro, um die Katzen zu füttern. Sie warteten bereits, als ich kam, und drückten sich niedergeschlagen im Regen herum. Die Veranda, wo sie gewöhnlich warteten, hatte sich in eine riesige Pfütze verwandelt. Als ich an der Fassade hochblickte, sah ich, dass sich das Wasser aus der kaputten Regenrinne, die mir zuerst vor knapp zwei Wochen aufgefallen war, inzwischen sturzbachartig auf die Veranda ergoss.
    Ich fütterte die Katzen in der Küche, dann scheuchte ich sie zur Tür hinaus. Mir entging nicht, dass sich Violetta in Richtung des verfallenen Schuppens verdrückte, und ein paar Minuten später schlich Mussorgski in die gleiche Richtung davon. Ich war gespannt, ob Wonder Boy ihnen folgen würde, aber er wartete noch auf die letzten Reste aus der Katzenfutterdose. Ich beeilte mich nicht beim Herauskratzen, um den Liebenden ein wenig mehr Zeit zu verschaffen. Auf dem Heimweg machte ich bei der türkischen Bäckerei halt und gönnte mir ein Stück dänisches Plundergebäck. Sobald ich zu Hause war, rief ich Mr. Ali an.
    Zuerst zögerte er, als ich ihm das Problem beschrieb. »Ich bin Handwerker, nicht Bauarbeiter. Dafür braucht man große Leiter.« Doch er willigte ein, sich die Sache anzusehen.
    Als Nächstes rief ich in Northmere House an. Ich war verärgert, aber nicht überrascht, zu hören, dass Mrs. Shapiro nicht nur Besucher, sondern auch Telefongespräche untersagt waren. Zweifellos wurde auch ihre Post zensiert.
    Gestärkt mit einer Tasse Tee und dem Plunder kehrte ich an den Schreibtisch zurück. Klebstoffe. Bindungen. Fesseln. Mark Diabello. Ich starrte auf den Bildschirm und ertappte mich bei dem Gedanken, dass unser Problem das Fehlen jeglicher Gemeinsamkeiten war. Kaum war die erste Erregung verflogen, fand ich ihn - was ich mir bis jetzt nicht eingestanden hatte - ein bisschen, na ja, langweilig. Vielleicht war das das Problem mit dem
Verspritzten Herz.
Die typischen romantischen Helden waren irgendwie beschränkt in ihrer Anziehungskraft. Was ich brauchte, war jemand, mit dem ich reden konnte: einen Intellektuellen; am liebsten einen, der männlich-attraktiv
und
intelligent war.
    Ich hatte Nathans Nachricht gelöscht, ohne mir die neue Abgabefrist zu notieren. Sollte ich ihn anrufen und nachfragen? Ich zögerte. Er hielt mich ohnehin schon für ziemlich einfältig. Ich stellte mir vor, wie er sich entnervt das schwarze Haar aus der gefurchten intellektuellen Stirn strich - er saß am Schreibtisch, wo seine Größe nicht auffiel. Außerdem spielte Größe keine Rolle, oder? Ich wählte seine Nummer.
    »Nathan, tut mir leid. Ich habe aus Versehen deine Nachricht gelöscht. Was ist noch mal die neue Abgabefrist?«
    Er seufzte ironisch und schnalzte mit der Zunge. »Der fünfundzwanzigste März. Meinst du, du schaffst es rechtzeitig, Georgie-Girl?«
    »Ich glaube schon. Ehrlich gesagt, Nathan«, ich senkte die Stimme, »ich werde ständig abgelenkt.«
    »Oho? Irgendetwas Interessantes?«, raunte er. Ich zögerte. Nein, besser, ich erzählte ihm nichts von Klettverschlüssen.
    »Nathan, hast du schon mal von einem Ort namens Lydda gehört?«
    »Meinst du Lydda bei Tel Aviv? Wo der Flughafen ist? Heute heißt es Lod.«
    »Siehst du? Ich wusste, dass du dich mit Ortsnamen auskennst.«
    »Willst du Urlaub machen? Dann sieh bloß zu, dass du die Aprilausgabe für
Klebstoffe
fertig kriegst, bevor du verschwindest«, sagte er mit gespielter Strenge. »Der Strand ist toll da unten. Ein paar Cousins von mir leben in

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