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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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hätte man annehmen können, es habe niemals einen solchen gegeben.
     
    Als mein Vater sein Bachelorstudium in Honolulu abschloss, wurde ihm ein Promotionsplatz an der Harvard University angeboten. Eine neue Entscheidung stand an. Ann entschloss sich, ihm nicht nach Harvard zu folgen. Sie blieb mit Barack junior auf Hawaii zurück und nahm wieder ihr Anthropologiestudium auf, das sie des Kindes wegen unterbrochen hatte.
     
    Jahre später, als ich Ann kennenlernte, fragte ich sie, warum sie damals auf Hawaii geblieben sei. Sie erklärte mir, obwohl mein Vater sie gebeten habe, mitzukommen, habe sie dies nicht gewollt. Zwar habe sie ihn geliebt, habe aber befürchtet, zu viel von sich selbst aufgeben zu müssen. Sie hatte meinen Vater sehr jung und unbedarft geheiratet, ohne sich bewusst zu machen, wie schwer es sein würde, die großen Unterschiede zwischen ihnen zu überbrücken.
    Ann war ein unabhängiger Geist und eine Träumerin, die aus eigener Kraft zur Verbesserung der Welt beitragen wollte. Außerdem war sie der Typ Frau, der sich in bequemen Sandalen und zwangloser Kleidung am wohlsten fühlt. Statt sich stundenlang mit ihrem Äußeren zu beschäftigen, diskutierte sie lieber mit Gleichgesinnten über das politische Geschehen. Mein Vater schätzte ihren scharfen Verstand, legte selbst aber großen Wert auf die äußere Erscheinung, nicht nur, um gesellschaftliche Konventionen zu befolgen, sondern weil er es liebte, sich besonders gut zu kleiden. Ann erzählte mir bei unserer Begegnung, mein Vater habe ihr oft »unnütze« Dinge gekauft, etwa Make-up, hochhackige Schuhe und Kleider, die nicht ihrem Stil entsprachen. Sie trug sie nur widerwillig, während er es gern sah, wenn sie sie anhatte. Bei ihren Worten musste ich lächeln. Von seinen Auslandsreisen brachte mir mein Vater auch immer die schönsten Kleider mit, um die mich dann meine Freundinnen beneideten.
    Damals hatte Ann sicher gewusst, dass sie niemals die Frau würde sein können, die mein Vater sich wünschte. Wäre sie mit ihm nach Harvard gegangen, hätte sie sich früher oder später ihm anpassen und ihre Individualität aufgeben müssen, das zumindest befürchtete sie. Mit Tränen in den Augen sagte sie mir, dass sie meinen Vater habe verlassen müssen, gerade weil sie ihn liebte.
    Während ich ihr zuhörte, fragte ich mich, was wohl passiert wäre, wenn Ann mit ihm nach Harvard gegangen wäre. Hätten sich ihre Befürchtungen tatsächlich bewahrheitet? Hätte sie tatsächlich so viel Eigenes aufgeben müssen? Hätte sie begonnen, meinen Vater zu hassen und so die schönen Erinnerungen zerstört, die sie jetzt mit mir teilte?
    Als wir so miteinander sprachen, spürte ich, wie wichtig es ihr war, mir klarzumachen, dass mein Vater, ungeachtet seiner Vorliebe für Stöckelschuhe, Lippenstift und feine Garderobe, ein zärtlicher und hochintelligenter Mann gewesen sei. Offenbar waren beide aber auf unüberbrückbare Gegensätze gestoßen, die jenseits der Kleiderfrage lagen und mit ihren so unterschiedlichen Kulturen zusammenhingen. Ich konnte mich gut in Anns Lage versetzen. Zu dieser Zeit lebte und studierte ich in Deutschland und musste mich selbst täglich mit meiner Identität und der Vorstellung der Deutschen von mir auseinandersetzen. Häufig sah man in mir nur das exotische Wesen aus Afrika, von dem man eine ganz bestimmte Verhaltensweise erwartete, statt mich als Individuum wahrzunehmen. Die eigene Identität zu bewahren, war auch für mich durch den Deutschlandaufenthalt zu einem persönlichen Anliegen geworden.
     
    Das Gespräch mit Ann fand 1994 in Maryland, USA , statt. Wir waren dort zusammengekommen, um die Hochzeit meines älteren Bruders Abongo zu feiern, der inzwischen Muslim geworden war und sich den Namen Malik zugelegt hatte. Unser Vater war bereits 1982 , also vor über zehn Jahren, gestorben.
    Der Kreis der Hochzeitsgäste war nicht sehr groß, die allermeisten, die in Abongos Haus beieinandersaßen, gehörten der engeren Familie an. Seine Braut Sheree hatte bereits eine Tochter, Hanifa, die sich ebenfalls unter den Gästen befand. Auch Barack und seine Freundin Michelle sowie Baracks Schwester Maya, Anns Tochter aus zweiter Ehe mit einem Indonesier, waren angereist. Ich selbst hatte meinen damaligen Freund Karl aus Deutschland mitgebracht. Meine Mutter wohnte schon seit einem Monat bei Abongo, um ihm und Sheree bei den Vorbereitungen zu helfen.
    Die Hochzeitszeremonie fand bei Abongo zu Hause statt und wurde von einem

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