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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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hatte. »Es ist ganz einfach.«
    Tatsächlich fand ich mit ihrer Hilfe schon nach einer Woche eine solche Familie. Sie lebte in der Nähe von Saarbrücken auf dem Land. Wo genau, war mir bei unserem ersten Telefongespräch nicht so wichtig gewesen, mir gefiel vor allem, dass es sich um ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern handelte. Das müssen nette, verantwortungsbewusste Leute sein, dachte ich, und ging, ohne lange zu überlegen, auf ihr Angebot ein, das kommende Wochenende bei ihnen zu verbringen.
    Am Freitagabend wartete ich gespannt auf meine deutsche Familie, die mich mit dem Auto von der Uni abholen wollte. An irgendwelche Zweifel oder Ängste kann ich mich heute nicht mehr erinnern. Auch nicht daran, ob ich jemandem erzählte, dass ich das Wochenende bei wildfremden Leuten draußen auf dem Land verbringen würde. Die Familie war da, und ich ging einfach mit.
    Die jungen Eltern und ihre beiden Kinder, die etwa sieben und neun Jahre alt waren, machten einen netten Eindruck. Eine dreiviertelstündige Fahrt führte uns die meiste Zeit an bebauten Feldern vorbei, nur ab und an waren ein einsamer Bauernhof oder ein kleines Dorf zu sehen. Als wir schließlich deren Haus erreichten, war es bereits dunkel. Ich konnte nur erahnen, dass es sich um eine Art Bauernhof handelte. Durch den langen, schmalen Hausflur kamen wir in einen geräumigen Wohn- / Essbereich. Der große Tisch war bereits für das Abendessen gedeckt.
    Meine Gasteltern zeigten mir sogleich mein Zimmer, das der Sohn für mich hatte räumen müssen – ein typisches Jungenzimmer mit viel Spielzeug und blauen Wänden. Ich stellte meine Tasche neben das frisch bezogene Bett und kehrte in den Wohn- / Essbereich zurück. Dort saßen die beiden Kinder auf dem Boden und spielten. Erst jetzt fiel mir auf, dass überall Sachen herumlagen und der Raum ziemlich unordentlich aussah.
    Neben dem Esstisch stand die Tür zur Küche offen, aus der ich Geräusche vernahm. Minutenlang stand ich unentschlossen herum und wusste nicht, was ich tun sollte. Sollte ich bei den Kindern bleiben oder erwartete man von mir, dass ich in der Küche half? Der Junge und das Mädchen, die auf der Fahrt lauter neugierige Fragen gestellt hatten, schienen inzwischen das Interesse an mir verloren zu haben. Also ging ich in die Küche.
    Sie war groß und ähnlich unordentlich wie das Wohnzimmer. Ich war verblüfft. Bei uns zu Hause musste gerade die Küche stets sauber und aufgeräumt sein, damit kein Ungeziefer angelockt wurde. Hier sah vieles nach idealer Brutstätte für Motten, Käfer, Mäuse und Ähnlichem aus.
    »Du brauchst nicht mitzuhelfen«, sagte die Mutter mit fröhlicher Stimme. Sie hatte gerade begonnen, das Abendbrot vorzubereiten. Also zog ich mich wieder ins Wohnzimmer zurück, setzte mich brav aufs Sofa und wartete. Richtig wohl war mir nicht zumute, aber ich wusste nicht, ob ich als Gast einfach unaufgefordert in die Küche zurückkehren durfte. In Kenia, wo auch ärmere Familien in der Regel Bedienstete haben, würde man nie ohne ausdrücklichen Hinweis seitens des Gastgebers diesen Ort betreten.
    Als der Vater mit einer Flasche Wein ins Wohnzimmer trat und sagte: »Wenn du willst, kannst du helfen, das Abendessen auf den Tisch zu stellen«, war ich gerettet.
    »Ja, danke!« Erleichtert sprang ich auf und folgte ihm in die Küche.
    »Kommt, Kinder. Ihr helft auch mit!«, rief er den beiden Kleinen zu. Die Antwort war ein unwilliges »Ooooh«. Zögernd standen sie auf und gesellten sich zu uns.
    Ich versuchte, meine Ungezieferfantasien zu bändigen, und machte mich daran, die diversen Bestandteile des Abendmahls auf den Esstisch zu stellen: verschiedene Brotsorten und Brötchen, Butter, Käse- und Wurstaufschnitt aller Art und noch einige andere Dinge, die ich nicht kannte. Zu trinken gab es Säfte – aus eigener Produktion, wie man mir stolz verkündete, das Obst stamme aus dem Garten –, Wein und Mineralwasser.
    Dann saßen wir alle um den Tisch herum. Die Stimmung war heiter, und ich fing an, mich zu entspannen und meine Scheu zu verlieren. Von den Besuchen bei Elkes Familie war ich um diese Uhrzeit kaltes »Abendbrot« statt einer warmen Mahlzeit gewohnt.
    Nach dem Essen blieben wir sitzen und unterhielten uns. Inzwischen hatte auch ein Bruder des Vaters, der in der Nähe wohnte, den Kreis vergrößert. Auf einmal holte der weitere Gast eine kleine Papiertüte aus der Tasche und schüttete daraus etwas auf den Tisch, das wie getrocknete Kräuter aussah. Davon nahm

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