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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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die bereit waren, uns ihren Gummischlauch zu leihen. An Elke geklammert, sauste ich auf dem ungewohnten Vehikel den Hang hinunter. Es machte solch einen Spaß, dass wir das Auf und Ab etliche Male wiederholten, bis wir müde und völlig verschwitzt den Schlauch zurückgaben.
    In Trunkelsberg machte ich auch Bekanntschaft mit dem Langlauf, einer Sportart, die eigentlich nicht schwierig, aber mit ungeahnten Folgen verbunden war. So leicht es war, mithilfe zweier Stöcke auf den Skiern über flachen, schneebedeckten Untergrund zu gleiten, die Schmerzen, die diese Fortbewegungsart hinterließ, waren höllisch. Am nächsten Tag spürte ich Muskeln, von denen ich zuvor nie etwas geahnt hatte. Alles tat weh, ich konnte mich kaum bewegen.
    »Eigentlich hättest du erst ein paar Wochen Skigymnastik machen müssen«, lautete Elkes mitfühlender Kommentar. »Dann hättest du jetzt keinen Muskelkater.«
     
    Vor unserem Eintreffen war Elkes Mutter bereits seit Tagen damit beschäftigt gewesen, zu backen und für die Feiertage vorzukochen. Auf meine verwunderte Frage, warum so viele Vorbereitungen nötig seien, erklärte man mir, dass die Deutschen Weihnachten über mehrere Tage feiern würden, ganz anders als in Kenia, wo wir genau wie Engländer und Amerikaner nur den fünfundzwanzigsten Dezember begehen und alles viel weniger Aufwand erfordert. Natürlich!, dachte ich damals und fand meine Schlussfolgerung sehr klug. Deswegen auch der Plural, deswegen heißt es »Weihnachten« und nicht »Weihnacht«.
    Obwohl die Rituale, die mein erstes deutsches Weihnachten begleiteten, mir sehr fremd waren, hatte ich in Elkes Familie nicht das Gefühl, dass alle nur deswegen beisammen waren, weil sie sich dazu verpflichtet fühlten. Schon im Voraus schien meine Freundin sich auf die gemeinsame Zeit zu freuen, und die Stimmung bei ihr zu Hause war heiter und gelöst. Dass diesmal ich dabei war, eine Afrikanerin, die für alle außer Elke fremd war, machte das festliche Beisammensein zu einem ganz besonderen Ereignis. Und zur Feier des Heiligen Abends trug ich extra ein weit geschnittenes, hellblaues westafrikanisches Gewand.
    Die Gastfreundschaft dieser Familie, die mich so rasch und herzlich als drittes Kind aufnahm, gab mir ein bisschen das in den zurückliegenden Jahren verloren gegangene Gefühl von familiärer Geborgenheit zurück, und dafür war ich sehr dankbar. Ich lebte erst wenige Monate in Deutschland, und schon war das Land mir längst nicht mehr so unbekannt wie bei meiner Ankunft.
     
     
     
     
     

11
     
    Aus so mancher Erfahrung, die ich im Laufe der Zeit machte, musste ich noch klug werden. Arglos wie ich war, antwortete ich zu Beginn jedem Fremden, der mich ansprach und mir Fragen stellte, mit einem höflichen Lächeln. Angenehm überrascht, fassten manche von ihnen, besonders Männer, dies als Einladung auf.
    Eines Tages, als ich im Freien auf einer Bank saß und die letzten noch wärmenden Sonnenstrahlen eines Frühlingsnachmittags genoss, ging ein Mann um die vierzig vorüber. Er lächelte mir zu, und wie üblich lächelte ich zurück – noch war ich die »nette kleine Afrikanerin«, die ohne Hintergedanken auf die Kontaktaufnahme von Fremden reagierte. Sichtlich angetan blieb der Mann stehen, kam näher und setzte sich zu mir. Ich dachte mir nichts dabei, und so unterhielten wir uns eine Weile. Schließlich schlug er vor, wir sollten doch unsere Adressen und Telefonnummern austauschen. Da er nicht lockerließ, gab ich ihm, naiv wie ich war, meine Wohnheimadresse.
    Das war der Beginn einer merkwürdigen und etwas unangenehmen Geschichte, die mich lehrte, Fremden gegenüber weniger offen zu sein. Denn zu meiner großen Überraschung verliebte sich der Mann in mich. Er besuchte mich ein paar Mal im Wohnheim, führte mich aus und machte viel Aufhebens um meine Person. Mir war nicht klar, wie ich mich zu verhalten hatte. Noch ziemlich unerfahren im Kontakt mit Männern, wusste ich nicht, wie ich meinem Verehrer zu verstehen geben sollte, dass ich nicht weiter an ihm interessiert war und keine Lust hatte, mit ihm auszugehen. Ich wäre mir grob und unhöflich vorgekommen. Er war ja nett und benahm sich nicht unanständig.
    Mein neuer Bekannter, Peter, war Musiker und spielte in einem Orchester. Eines Tages nahm er mich mit zu einem seiner Konzerte. Anschließend gingen wir mit seinen Kollegen aus. Doch in der fremden Runde fühlte ich mich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Peter und seine Freunde waren viel älter als ich;

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