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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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an lauter grauhaarige Männer und Frauen erinnere ich mich. Obwohl sie so taten, als sei es ganz normal, dass ich mit ihnen zusammensaß, merkte ich, wie sie immer wieder zu mir herüberschauten. Wo hat er sich bloß so ein junges, exotisches Ding geangelt?, schienen ihre Augen zu fragen. Ich lächelte brav. Aber mein ganzes Wesen schrie ihnen stumm entgegen: Nein! Ich gehöre nicht zu ihm!
    Obwohl ich Peter nie zu irgendetwas ermutigte, häuften sich seine Einladungen. Gleichzeitig drängte es mich mehr und mehr, der Sache ein Ende zu machen. Nur wusste ich nicht, wie. Peter wähnte sich in dem Glauben, unsere »Beziehung« schreite voran, während ich die ganze Zeit verzweifelt überlegte, wie ich ihn wieder loswerden sollte. Schließlich ging ich nur noch mit ihm aus, wenn Elke bereit war, mitzukommen. Bislang hatte sie sich belustigt Peters Annäherungsversuche angeschaut. Sie wusste genau, dass ich nicht in ihn verliebt war, hatte jedoch angenommen, ich ginge gern mit ihm aus.
    Als dann eines Tages dreißig rote Rosen vor meiner Zimmertür lagen, wurde es mir zu bunt. Ich wusste, dass ich einen Schlussstrich ziehen musste. Mir graute vor der Auseinandersetzung, aber sie war unumgänglich.
    Wenig später rief der Ahnungslose an, um sich zu erkundigen, ob ich die Blumen erhalten hätte, und zugleich lud er mich wieder einmal irgendwohin ein. Ohne lange zu überlegen, unterbrach ich ihn mitten im Satz:
    »Es tut mir leid, Peter, ich kann Sie nicht mehr sehen.«
    »Wir können uns auch ein andermal treffen, wenn es dir heute nicht passt«, antwortete er. Offenbar hatte er nicht begriffen.
    »Nein!«, erwiderte ich, diesmal mit lauter, etwas schriller Stimme. Dabei lief es mir vor Nervosität heiß und kalt den Rücken herunter. Meine Hände waren schweißnass. »Ich meine wirklich, nie wieder. Ich kann Sie nicht mehr sehen.«
    Ich spürte, wie Peter am anderen Ende der Leitung erstarrte. Es folgte ein langes Schweigen. Um Distanz zu schaffen, war mir nichts Besseres eingefallen, als ihn zu siezen.
    »Wieso?«, fragte er. Seine Stimme klang auf einmal ernst.
    Ich schwieg.
    »Du willst mich nie mehr treffen? Warum?«
    Ich sagte noch immer nichts. Es gab einfach keine freundliche Antwort auf seine Frage. Ich hätte ihm erklären müssen, dass ich von Anfang an nichts für ihn empfunden, dass die ganze Beziehung nur in seinem Kopf stattgefunden und ich bei der allerersten Begegnung nichts weiter als ein schlichtes »Guten Tag« von ihm erwartet hatte. Stattdessen sagte ich nur:
    »Ich kann Sie einfach nicht mehr sehen. Es tut mir leid. Ich muss jetzt gehen. Auf Wiedersehen.«
    Die abgehackten Sätze waren einfach aus mir herausgekommen. Ich wartete nicht einmal seine Antwort ab, sondern legte den Hörer auf und verließ hastig die Telefonzelle im Flur des Studentenwohnheims.
    So nahm die Beziehung, die gar keine gewesen war, ein Ende. Nie wieder so etwas Verrücktes!, dachte ich damals. Aber es dauerte nicht lange, da saß ich erneut in der Patsche.
    Elke hatte da schon ihr Auslandsstipendium bekommen und war zum Studium in die USA gegangen. In meinem Saarbrücker Leben hatte sich eine große Lücke aufgetan. Sie fehlte mir vor allem als Freundin, aber auch als tägliche Vermittlerin der deutschen Sprache und Kultur.
    Doch dann lernte ich Nora kennen, die aus Nigeria stammte und ebenfalls das Studienkolleg besuchte. Eines Tages, ich hatte ihr mein Leid über Elkes Weggang geklagt und dass ich seitdem viel zu wenig Deutsch sprechen würde, meinte sie, sie habe da etwas Interessantes für mich.
    »Was denn?«, fragte ich neugierig.
    »Du kannst über die Zeitung eine Familie finden.«
    »Wozu?«
    »Eine deutsche Familie!« Es klang, als habe sie die magische Formel entdeckt, um im Lotto zu gewinnen.
    »Du setzt eine Annonce mit den Worten ›Afrikanische Studentin sucht Familie, um ihr Deutsch zu verbessern‹ oder so in die Zeitung. Dann wartest du auf die Angebote und suchst dir einfach eine aus, die du regelmäßig besuchst, um bei ihnen dein Deutsch zu üben! Toll, nicht wahr?« Nora strahlte mich an und fügte hinzu: »Ich selbst habe auf diese Weise auch eine Familie ausfindig gemacht.«
    Gar keine schlechte Idee, dachte ich. Mit einer deutschen Familie würde ich die ganze Zeit Deutsch sprechen müssen, das ideale Sprachtraining also. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir der Gedanke.
    »Ich helfe dir dabei«, sagte Nora, nachdem ich mich für ihren Vorschlag entschieden und ihr das mitgeteilt

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