Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
genossen, die Verantwortung für die Gestaltung meines Studiums selbst zu übernehmen und nun ging es dem Ende entgegen. Meine Magisterarbeit musste geschrieben werden. Ich hatte mich für ein literaturwissenschaftliches Thema entschieden. Und von nun an hockte ich ganze Tage in der Unibibliothek oder zu Hause, wo ich mit meiner Freundin und damaligen Mitbewohnerin Maria ihre sprachlichen Korrekturen meiner schriftlichen Darlegungen besprach. Ich genoss diese Zeit des Forschens, Schreibens und Diskutierens. Dann folgte die Magisterprüfung – und schließlich hielt ich mein Abschlusszeugnis in Händen.
Doch damit war meine Hochschulzeit noch nicht beendet. Ich wollte promovieren. Dabei ging es mir nicht nur darum, einen höheren akademischen Titel zu erlangen. Die Liebe zu Karl war für diese Entscheidung ausschlaggebend. Deutschland endgültig zu verlassen und allein zurück in die Heimat zu gehen, war in dieser Zeit für mich unvorstellbar. Auch für Karl kam eine Trennung nicht in Frage, und so war die Promotion eine Möglichkeit, länger bei ihm zu bleiben.
Also bewarb ich mich beim DAAD um ein Promotionsstipendium. Der aber verlangte meine Rückkehr nach Kenia, damit ich dort an der Universität Deutsch unterrichtete. Die Entscheidungsträger aber konnte ich davon überzeugen, dass für eine akademische Karriere im Fach Germanistik eine Promotion unerlässlich sei. So wurde mir ein entsprechendes Stipendium bewilligt, jedoch unter der Bedingung, dass ich ein Jahr lang in Nairobi als Tutorial Fellow , als Hochschulassistentin, an der Uni arbeite, bevor ich mein Studium in Deutschland fortsetze. Darin blieb der DAAD hartnäckig: Kenia oder kein neues Stipendium.
Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass ich nun doch für eine Weile aus Deutschland fortmusste, überlegten Karl und ich, wie es mit unserer Beziehung weitergehen sollte. Er hatte gerade sein erstes juristisches Staatsexamen abgelegt und konnte vor seinem zweiten Staatsexamen ein halbes Jahr frei gestalten. Schließlich entschied er sich, in dieser Zeit in Kenia ein Praktikum zu absolvieren. Nach einigem Suchen fanden wir für ihn eine Praktikantenstelle beim UNEP , dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen in Nairobi. Da er aber nicht sofort mitkommen konnte, bedeutete dies, dass wir dennoch ein halbes Jahr getrennt sein würden.
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Meine Rückkehr nach Kenia war wahrhaft eine Herausforderung. Zwar freute ich mich auf meine Heimat, aber ich hatte auch Angst vor all dem Ungewissen, was auf mich zukam.
Sofort nach meiner Ankunft in Nairobi wurde ich aktiv. So musste ich meine gesamte Habe, die ich von Deutschland nach Kenia verschiffen ließ, am Hafen von Mombasa aus dem Zoll holen und in die Hauptstadt bringen. Unter meinen Sachen befand sich auch ein Auto, denn als heimkehrende Kenianerin mit Dauerwohnrecht im Land durfte ich einen eigenen Wagen steuerfrei einführen. Das mag einfach klingen, war aber mit einem riesigen bürokratischen Aufwand verbunden. Ich musste von einem Ministerium zum anderen laufen, etliche Formulare ausfüllen und sie an allen möglichen Stellen vorlegen.
Als Karl schließlich eintraf, war immer noch nicht alles erledigt. Er kam aus dem Staunen nicht heraus, als er sah, wie viele Verwaltungshürden in Kenia zu überwinden waren. Er meinte, er könne keinesfalls auf Dauer in diesem Land leben, Bürokratie und Korruption würden ihn verückt machen. Damals dachte ich mir nichts dabei und lachte nur. Wir wollten ja beide wieder zurück nach Deutschland.
Zuerst wohnten wir bei meiner Tante Jane in Kariokor, einem alten, etwas heruntergekommenen Stadtviertel nahe dem Zentrum von Nairobi, in dem während der Kolonialzeit die Carrier Corps gewohnt hatten. Sie stellte uns in ihrer Wohnung ein Zimmer zur Verfügung. Doch wir waren nicht ihre einzigen Gäste. Ständig tauchten Leute auf, meist Verwandte, die für ein, zwei Tage bleiben wollten, aber am Ende Wochen oder sogar Monate bei meiner lebhaften Tante wohnten. Sie setzte keinen von ihnen vor die Tür, obwohl sie nicht nur umsonst bei ihr wohnten, sondern auch bei ihr aßen, ohne auch nur den geringsten Obulus beizusteuern. Manchmal waren so viele Menschen da, dass einige auf dem Wohnzimmerboden, in der Küche oder im Vorratsraum schliefen.
Etwas verärgert über die Menge sich selbst einladender Gäste, fragte ich Tante Jane eines Tages, warum sie all diese Leute bei sich aufnehme. Sie schaute mich nur lächelnd an und sagte: »Du bist ja auch
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