Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
Bemerkung lediglich eine nicht weiter ernst zu nehmende Unterbrechung einer wichtigen Aussage gewesen.
Dass unserem großen Kontinent in all seiner Vielfalt so wenig Achtung entgegengebracht wurde, bewog mich dazu, mich intensiver mit dem in Deutschland herrschenden Afrikabild zu befassen. Damit tauchte für mich auch die Frage auf, wie man es verändern konnte.
Eines Tages lernte ich Ali kennen. Ali hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und hieß eigentlich Alfons. Er hatte eine sehr helle Haut, lockiges, fast weißblondes Haar und war der typische »alternative« Deutsche. In meinen Ohren passte sein arabisch-muslimisch klingender Name überhaupt nicht zu seinem Aussehen.
Ali und ich beschlossen, im Team zu arbeiten. Wir stellten eine Seminarreihe zusammen, mit der wir Afrika und die Afrikaner realistischer darzustellen beabsichtigten, als es die Medien unserer Meinung nach taten. Dabei wollten wir auch auf den Zusammenhang zwischen den herrschenden Klischees und der deutschen Afrikapolitik hinweisen, deutlich machen, inwieweit diese falschen Bilder auch Regierungsentscheidungen in Sachen Entwicklungshilfe beeinflussen.
Zu Beginn machte es großen Spaß, gemeinsam mit Ali diese Seminare abzuhalten. Von Heidelberg aus fuhren wir an den jeweiligen Ort, an dem unsere Veranstaltung stattfinden sollte. Meist fanden die Seminare am Wochenende statt und erstreckten sich über mehrere Tage. Die Teilnehmer trafen am ersten Abend ein, und dann wurde zwei Tage lang über Afrika, dessen einzelne Länder, über die verschiedenen Kulturen, Sprachen und Menschen gesprochen, all dies vor dem Hintergrund der Afrikavorstellungen, die die Teilnehmer mitbrachten. Wir setzten auch Filmmaterial ein, führten von Afrikanern oder Deutschen gedrehte Dokumentar- und Spielfilme vor, um ein vielseitiges, nuancenreiches Bild zu vermitteln. Unsere Arbeit fand so großen Anklang, dass wir weitere Aufträge bekamen, insbesondere von der Friedrich-Ebert-Stiftung, einer SPD -nahen Stiftung für politische Bildung.
Wir gestalteten unsere Vorträge lebendig und ergänzten uns dabei sehr gut. Ali, der Deutsche, machte viele Witze und ironisierte seine eigenen Vorurteile, was den Teilnehmern erleichterte, über ihre Ressentiments und Stereotypen zu sprechen. Ich meinerseits verlieh den Darstellungen eine gewisse Intensität durch meine Betroffenheit als Afrikanerin. Und aus meiner Perspektive konnte ich schildern, wie sich das Afrikabild der Deutschen auf das Leben der Afrikaner in Deutschland auswirkte. Bei diesen Seminaren sagte ich oft scherzhaft, diesmal sei ich es, die Entwicklungshilfe leiste. Allerdings wurde ich immer wieder mit der Entgegnung konfrontiert, dass ich als Afrikanerin die Situation dieses »schwarzen« Kontinents nicht objektiv betrachten könne. Ich sei einfach zu betroffen. Es ärgerte mich, dass mir aus diesem Grund häufig eine Bewertung nicht zugetraut wurde. Nahmen diese Personen dann ein zweites Mal am Seminar teil, wurden sie oft zu unangenehmen Besserwissern. Sie diskutierten nicht mehr, sondern beharrten steif und fest auf ihren Behauptungen, stritten mit uns und schienen diese Auseinandersetzungen sogar regelrecht zu genießen.
Anfangs bemühte ich mich noch sehr, sie von der Wichtigkeit und Richtigkeit unserer Botschaft zu überzeugen.
Aber immer stärker spürte ich ihre Arroganz und sture Weigerung, unsere Beurteilung der Dinge anzunehmen. Sie hatten sich ihr Wissen aus Büchern, Zeitungen und im Fernsehen angeeignet und meinten, dass es den Tatsachen entsprach. Welch enorme Macht die Medien besitzen, wurde mir gerade in diesen Auseinandersetzungen besonders deutlich!
Je öfter sich diese Streitereien wiederholten, umso mehr verlor ich die Geduld, und schließlich wandelte sich meine Ungeduld in Frustration. Ich verspürte eine immer größer werdende Kluft zwischen mir und den Teilnehmern.
In der Folgezeit nahm ich das Angebot, Seminare abzuhalten, immer seltener an. Stattdessen hielt ich Vorträge. Ich reiste zu dem Ort, an den man mich eingeladen hatte, hielt meinen Vortrag, beantwortete Fragen und reiste wieder ab. Hier gab es keine zweiten Begegnungen, die mich so zermürbt hatten.
Vier Jahre habe ich in Heidelberg studiert. Das deutsche Universitätssystem war im Vergleich zum kenianischen wesentlich offener – zumindest in den Geisteswissenschaften – und hatte mir die Freiheit der Zusammenstellung des Studienplans und sogar der Wahl der Prüfungstermine gelassen. Ich hatte es sehr
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