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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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zerbrechlich. Ich fürchtete, sie zu fest zu drücken, sie nicht sicher genug zu halten, unfähig zu sein, auf sie aufzupassen. Ich wurde von all den Befürchtungen, die wohl die meisten Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes haben, heimgesucht. Plötzlich war ich für das Überleben dieses kleinen Wesens verantwortlich, das vollkommen von mir abhing. Glück und Angst lagen eng beieinander.
    Ian saß an meinem Bett. Die Geburt selbst hatte er allerdings verpasst. Als am Abend zuvor die Wehen eingesetzt hatten und er mich ins Krankenhaus fuhr, war man davon ausgegangen, dass die Entbindung wesentlich länger dauern würde als die zwei Stunden, die meine Tochter am Morgen benötigte, um auf die Welt zu kommen. Ian hatte man aus diesem Grund am Telefon gesagt, er bräuchte sich nicht zu beeilen. Bis er sich dann durch den Berufsverkehr geschlängelt hatte, war sein Kind schon da.
    Mit den Worten »Das darf nicht wahr sein!« kam er ungläubig ins Zimmer gestürmt. Ich lag erschöpft auf dem Bett. Tante Jane, die gerade bei uns zu Besuch war, trat hinter ihm ins Zimmer.
    »Schau, da drüben.« Mit dem Kopf wies ich auf das Bettchen, in dem unsere Kleine friedlich in ihrem weißen Strampelhöschen schlief. »Da ist unsere Tochter.« Ich war überglücklich. Es klang so gut. Unsere Tochter. Meine Tochter. Ich hatte eine Tochter.
    »Darf ich sie hochnehmen?«, fragte Ian zögernd.
    »Natürlich!«, sagte Tante Jane, mir zuvor kommend. Auch sie strahlte über das ganze Gesicht. »Und beeil dich, sonst nehme ich sie mir vor dir. Ich will doch meine Enkelin im Arm halten.« Stellvertretend für meine Mutter, ihre ältere Schwester, war sie in diesem Moment die Großmutter.
    Es folgten die obligatorischen Fotos: das Baby mit dem Vater, dann mit der erschöpften, aber begeisterten Mutter, schließlich noch ein Bild mit Tante Jane und natürlich eine Aufnahme von der Hauptperson, wie sie in ihrem Bett liegt. Wir hatten sie Akinyi genannt, was auf Luo »Morgenkind« bedeutet. Ich schaute durch die breiten Fenster des Zimmers. Die Sonne schien hell. Es war ein herrlicher, fast wolkenloser Tag. Hier drinnen bewunderten mein Mann und meine Tante mein Kind, und draußen brach ein wundervoller Frühsommertag an.
     
    In den ersten Zeiten meines Mutterdaseins drehte sich mein Alltag ausschließlich um unsere Tochter. Ich hatte fast nur Augen für sie. Denn die Angst, die mich im Krankenhaus erfasst hatte, und die Zweifel, ob ich es schaffen würde, für sie zu sorgen, waren immer noch lebendig. Richtig schwierig wurde es, als Tante Jane wieder abreiste und ich tagsüber mit der Kleinen allein war. Ian musste arbeiten, und in der Nachbarschaft – wir waren gerade nach Bracknell gezogen, einer Kleinstadt in Berkshire – kannte ich noch niemanden. Mein einziger Versuch, dort engere Kontakte zu knüpfen, war kläglich gescheitert.
    Kurz nachdem wir unser Haus bezogen hatten, lud ich eines Nachmittags die Nachbarn von rechts, links und gegenüber zum Tee ein. Und tatsächlich erschienen sie auch alle. Wir saßen in unserem kleinen Wohnzimmer, tranken Tee und machten Konversation. Wie es sich eben in England gehört, dachte ich. Als sie sich freundlich verabschiedeten, fand ich, der Nachmittag sei gelungen, zumal ich Sätze wie: »Ihr müsst unbedingt auch mal bei uns vorbeischauen« hörte. Dann wartete ich. Doch ich wartete vergeblich. Nicht eine einzige Gegeneinladung unserer Nachbarn kam.
    »Das finde ich richtig unhöflich«, sagte ich enttäuscht. Wir saßen in der Küche, Ian machte gerade das Abendessen und ich stillte das Baby. »Bei uns in Kenia lädt man jemanden, bei dem man zu Besuch war, auch wieder ein. Alles andere ist unhöflich.«
    Ian zuckte nur mit den Achseln.
    »Findest du das nicht?« Ich war von seinem Schweigen ein bisschen irritiert.
    »Bei uns ist es etwas anders«, setzte er an, während er die letzte Kartoffel schälte. Dabei drehte er sich zu mir um, da er die Traurigkeit in meiner Stimme wahrgenommen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass wir über das in meinen Augen etwas merkwürdige soziale Verhalten der Engländer sprachen. Jetzt aber, wo ich den ganzen Tag mit dem Kind alleine war, litt ich zunehmend unter deren Distanz. Ich sehnte mich nach Freunden und Geselligkeit.
    »Hier geht man nicht so offen und frei miteinander um«, erklärte Ian weiter.
    »Warum sind sie denn damals überhaupt zu uns gekommen?«, fragte ich gereizt. »Ich dachte, sie hätten echtes Interesse daran gehabt, uns

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