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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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kennenzulernen.«
    »Leider war es wahrscheinlich nur Neugier«, erwiderte Ian, während er die Kartoffeln aufsetzte. Dazu sollte es Fisch geben, und ich wollte noch einen Salat zubereiten. »Es kann aber auch sein, dass sie uns nicht einladen, weil sie uns nicht stören wollen. Wir Engländer sind in der Hinsicht etwas komisch.«
    Es wunderte mich, dass ihn das Verhalten unserer Nachbarn nicht zu stören schien.
    In meine Einsamkeit mischte sich nach einer Weile auch Unmut gegenüber Ian. Ich verstand nicht, warum er sich nach der Geburt unserer Tochter nicht frei genommen hatte. Fast sofort nach meiner Heimkehr aus dem Krankenhaus war er wieder arbeiten gegangen. Mir fiel ein, dass der Einzelgänger, der nun mein Ehemann war, mir einmal ganz zu Anfang unserer Bekanntschaft erzählt hatte, er könne sich gut vorstellen, irgendwo auf einer einsamen Farm in Schottland zu leben. Mehr als einen Schäferhund bräuchte er dort nicht.
    »Melde dich doch bei einer Mutter-Kind-Guppe in unserer Nähe an. Dort lernst du auf jeden Fall andere Mütter kennen.« Ian schob bei diesen Worten den Fisch in den Ofen.
    »Was ist denn eine Mutter-Kind-Gruppe?« Meine Frage klang nur mäßig interessiert. Eigentlich wollte ich etwas mit ihm unternehmen, nicht mit fremden Müttern.
    »Das ist eine Gruppe von Müttern mit Kleinkindern oder Neugeborenen. Sie treffen sich regelmäßig und machen verschiedenes miteinander. Dabei hättest du Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen.«
    Doch so einfach wie Ian sich alles vorstellte, war es nicht. Jedenfalls nicht für mich. Obwohl ich mehrere Mutter-Kind-Gruppen ausprobierte, fühlte ich mich bei keiner richtig wohl. Dass ich wenig Lust hatte, nur über Windeln und Bäuerchen zu reden, machte es nicht leichter. Da viele englische Frauen – anders als in Deutschland – ihre Kinder ziemlich früh bekommen, begegnete ich in den Gruppen vielfach sehr jungen Müttern. Ich selbst war schon siebenunddreißig. Fast alle waren zudem Hausfrauen, hatten ganz andere Interessen als ich, waren – bis auf eine einzige Mutter – weiß und stammten aus der konservativen englischen Mittelschicht.
    Ich fühlte mich fremd und vermisste meine Freunde in Deutschland, vermisste das bewegte Leben in Berlin. Sogar Bayreuth erschien mir aus der Ferne lebendig und spannend.
    »Kannst du dir nicht ein paar Wochen frei nehmen?«, bat ich Ian. »Dann laden wir auch die Nachbarn noch einmal ein.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht? Du bist doch gerade Vater geworden.«
    »Ich muss Geld verdienen, Auma!«, erwiderte Ian resolut.
    Seine Worte hatten mich zum Schweigen gebracht. Mit dem Geldverdienen konnte ich nicht konkurrieren. Seit meinem Umzug nach England hatte ich keine Gelegenheit gehabt, zu unserem Einkommen beizutragen, was vor allem an der Schwangerschaft und meiner folgenden Situation als junger Mutter lag. Die Einkäufe tätigte ausschließlich Ian. Ich hatte meinen Stolz, und es fiel mir sehr schwer, ihn um Geld zu bitten. Ich war nie zuvor von jemandem ausgehalten worden. Zuerst hatte ich meine Stipendien, später meine gut bezahlten Messejobs als Dolmetscherin und die Honorare als freiberufliche Journalistin. Ian war Alleinverdiener, und ich war vollkommen von ihm abhängig.
     
    Als Akinyi fünf Monate alt war, nahmen wir sie mit auf eine Reise zu meinem Bruder nach Chicago. Barack sollte seine Nichte kennenlernen – und umgekehrt. Es war Oktober, durch die Straßen fegte ein kalter Herbstwind, obwohl die Sonne noch hoch am fast wolkenlosen Himmel stand. Ich wunderte mich über die Kälte. Mein Bruder meinte, sie käme vom Michigansee herüber, direkt aus Kanada.
    »In Kanada ist es jetzt schon viel kälter als hier«, fügte er hinzu.
    »Bin ich froh, dass du nicht in Kanada lebst«, antwortete ich lachend.
    Über ein Jahr war vergangen, seitdem ich meinen Bruder zum letzten Mal gesehen hatte. Inzwischen lebte er mit seiner Frau Michelle in einer eigenen Wohnung, und die beiden schienen eine glückliche Ehe zu führen. Sie freuten sich riesig, ihre kleine Nichte zu sehen, besonders Michelle, die noch keine Kinder hatte. Auch Maya kam zu Besuch und begrüßte Akinyi mit einem Geschenk, das sämtliche bösen Geister von ihr fernhalten sollte.
    Wir blieben nur eine Woche in den USA . Mich, wie alle Michelle nannten, und Barack mussten tagsüber arbeiten. Er als Bürgerrechtsanwalt, sie als Vice President for community and external affairs der Universität von Chicago. Abends kochten wir gemeinsam und saßen

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