Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
England zurückkehren würde. »Nach der Abnahme«, sagte ich jedes Mal.
Mein Film trug den Titel All that Glitters is not Gold und handelte von einer in Deutschland lebenden Afrikanerin, die auf dem Land wohnt, an der Seite ihres wohlhabenden, aber emotionslosen deutschen Ehemannes. Sie fühlt sich sehr einsam und verliert eines Tages auf merkwürdige Weise ihre siebenjährige Tochter.
Als ich meinen Film vor Dozenten und Studenten zeigte, war es im Saal sehr still, und es war unmöglich, festzustellen, wie er bei den Zuschauern ankam.
Nachdem das Licht wieder anging, dauerte es eine Weile, bis das Schweigen durchbrochen wurde. Schließlich meldete sich eine Studentin und sagte:
»Das Ganze ist unrealistisch! Im wirklichen Leben würde sich so etwas niemals abspielen.«
Damit setzte sie etwas in Gang, was einem Tsunami glich. Plötzlich war ich einer Unmenge von Fragen und Vorwürfen ausgesetzt. Ich versuchte auf die vielen Angriffe zu reagieren, die ich aber teilweise überhaupt nicht verstand. Deshalb hatte ich auch das Gefühl, mich überhaupt nicht richtig verteidigen zu können. Mit meinem Film schien ich verletzt und beleidigt zu haben. Aber womit genau, konnte mir keiner eindeutig erklären. Auch als ich später Elke und einige andere Freunde fragte, die ich zu dieser Vorführung eingeladen hatte, was ich bloß falsch gemacht hätte, vermochten sie mir keine eindeutige Antwort zu geben. Ich konnte nur vermuten, dass der Film die Afrikanerin aus der Sicht der Deutschen zu sehr zum Opfer machte und so bei den Zuschauern ein unangenehmes Gefühl von Mittäterschaft auslöste.
Niedergeschlagen verließ ich den Saal. Kurz vor dem Verlassen des Gebäudes ging ich noch auf die Toilette. Dort entdeckte ich, dass ich blutete. Mein Baby!, dachte ich erschrocken. Ich war im dritten Monat, eine kritische Zeit für Fehlgeburten. In panischer Angst eilte ich aus der Toilette, um Elke zu suchen. Zum Glück war sie noch nicht nach Hause gefahren, sondern mit einigen anderen Leuten in ein Gespräch vertieft. Ich nahm sie beiseite und erzählte ihr, was ich gerade festgestellt hatte.
»Wir fahren sofort ins Krankenhaus!«, sagte sie entschlossen. »Du darfst dich nicht aufregen und nicht mehr als nötig bewegen.« Mit diesen Worten nahm sie mich beim Ellbogen und führte mich Richtung Ausgang. »Setz dich hier auf die Treppe. Ich hol mein Auto.«
In der Klinik gab man mir zu verstehen, dass ich tatsächlich eine Fehlgeburt haben könnte. Man beruhigte mich aber, sagte, ich solle einfach still auf dem Rücken liegen bleiben, dann würde alles gut gehen.
Ich rechnete mit ein paar Tagen verordneter Bettruhe, doch der Arzt, der mich am nächsten Tag untersuchte, meinte, ich müsse bis zur Geburt liegen bleiben. Fast sieben Monate!
Von Tag zu Tag wurde ich niedergeschlagener, zumal ich ihm keine klare Begründung für meinen Zustand entlocken konnte. Wenige Tage vor Weihnachten traf Ian, der die Verzweiflung in meiner Stimme vernommen hatte, eine Entscheidung. »Ich komme und hol dich«, sagte er. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken – was würden die Ärzte dazu sagen? –, aber ich ertrug den Krankenhausaufenthalt einfach nicht mehr und stimmte zu.
»Wir können für nichts garantieren, wenn Sie Ihre Frau mitnehmen«, meinte mein mich behandelnder Arzt zu Ian, als er am nächsten Tag in der Klinik auftauchte. »Es kann alles Mögliche passieren.«
»Ich verstehe«, antwortete er und bat um die nötigen Unterlagen. »Wir bringen das in England in Ordnung.«
Der Arzt in dem englischen Krankenhaus, das ich sofort aufsuchte, schickte mich nach der Untersuchung wieder nach Hause.
»Falls Sie irgendwelche Schmerzen haben, nehmen Sie diese Tabletten hier. Ansonsten können Sie problemlos alles machen.«
»In Deutschland hat man mir aber gesagt …«
»Mit Ihnen ist alles in Ordnung. Es gibt keinen Grund, den ganzen Tag im Bett zu liegen.«
War das jetzt der klassische Fall von »andere Länder, andere Sitten« oder war ich das Opfer eines Irrtums? In Deutschland hatte man mich in Watte gepackt, in England dagegen riet man mir, tapfer durchzuhalten. Und das tat ich auch!
Am Morgen des 3 . Mai 1997 kam unsere Tochter – ich hatte einfach recht behalten – kerngesund auf die Welt. Ich nahm sie in die Arme und verspürte beim Anblick ihres kleinen Gesichts eine Liebe, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Ich war wahnsinnig glücklich – und hatte zugleich panische Angst. Sie war so klein und wirkte so
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