Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
nach Potsdam gezogen war. Bei einem dieser Aufenthalte fühlte ich mich ständig müde und wollte nur schlafen. Als dann auch noch mein Appetit verschwand und ich Elke erzählte, dass bestimmte Gerüche mich anwiderten, sagte sie mit wissender Miene:
»Ich glaube, du bist schwanger!«
Verdutzt schaute ich sie an. »Meinst du wirklich?«
Ich muss ziemlich naiv geklungen haben. Und ich war im Grunde auch naiv.
»Das haben wir schnell herausgefunden. Mach einen Schwangerschaftstest.«
Mit Ian hatte ich bislang nur ein einziges Mal über Kinder gesprochen, das war, als ich für ihn gearbeitet hatte und wir noch kein Paar waren. Er hatte damals voller Überzeugung erklärt, er wolle keine Kinder mehr, da er bereits eine Tochter aus einer früheren Ehe habe. Ich hatte ihn daraufhin gefragt:
»Und was ist, wenn du eine Freundin hast, die unbedingt schwanger werden möchte?«
»Dann hat sie Pech gehabt«, hatte er lachend geantwortet.
Genauso überzeugt von meinen Worten wie er – nur sehr ernst – hatte ich erwidert: »Wenn ich diese Frau wäre, würde ich nicht mit dir ausgehen! Ich will auf jeden Fall einmal Kinder haben.«
Danach hatten wir nie wieder über dieses Thema geredet. Und jetzt, ein paar Jahre später, waren wir verheiratet. Und ich vielleicht schwanger. Wie würde Ian wohl reagieren, falls es stimmte?
»Du bist es! Du bist es! Toll! Du bist schwanger!«
Elke hüpfte von einem Bein aufs andere. Ich war mit dem verfärbten Teststreifen aus dem Badezimmer gelaufen, nachdem ich zuvor schon einen verräterischen Schrei ausgestoßen hatte. Plötzlich erschien mir alles wie ein Traum. Ich versuchte mir vorzustellen, dass da ein kleiner Mensch in mir wuchs, doch der Gedanke war mir vollkommen fremd. Auch meine schlechte körperliche Verfassung konnte ich beim besten Willen nicht mit dem werdenden Leben in mir verbinden.
»In der Tat! Du bist schwanger! Ich freue mich für dich, Auma!«
Elke umarmte mich fest, und ich konnte ihre Aufregung deutlich spüren. Als sie mit Jan und Lena schwanger war, konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen. Schon als ich sie zum ersten Mal in Carbondale besucht hatte, war sie zum Spaß mit einem Kissen unter ihrer Latzhose durchs Zimmer gewandert und hatte werdende Mutter gespielt.
Und jetzt war ich schwanger, und wieder packte sie die Euphorie. Sie steckte mich regelrecht an mit ihrer Hochstimmung.
»Wir kriegen ein Baby«, sagte ich lächelnd zu ihr, aber meine Stimme schwankte ein bisschen. »Und du wirst Tante. Darüber freue ich mich.«
Den restlichen Nachmittag über saßen wir zusammen und malten uns meine Zukunft aus.
»Es wird ein Mädchen!«, sagte ich überzeugt.
»Das kannst du doch gar nicht wissen.« Elke lachte.
»Doch, es wird ein Mädchen.«
»Und warum bist du dir da so sicher ?«
»Ich weiß es einfach. Ich wünsche mir ein Mädchen, und ich weiß, dass dieses Kind ein Mädchen wird.«
Elke gab es auf, mich von einem möglichen Gegenteil zu überzeugen, aber in meinem Kopf ging die Diskussion weiter. Unbedingt wollte ich ein Mädchen. Einen Jungen zu bekommen, konnte ich mir nicht vorstellen. Zu mir, meinem Temperament und meinen Einstellungen passte ein Mädchen einfach viel besser.
Ich konnte es kaum erwarten, Ian die frohe Botschaft mitzuteilen. Bei unseren Telefonaten gelang es mir nur mit Mühe, sie für mich zu behalten. Doch ich hatte mir vorgenommen, ihn erst bei meiner Heimkehr damit zu überraschen. Und das gelang mir auch. Ich kaufte eine Faltkarte, auf deren Vorderseite winzige Kinderhände abgebildet waren, und überreichte sie ihm, als ich wieder in England war und wir zusammen beim Essen saßen. Ian klappte die Karte vorsichtig auf und entdeckte auf der einen Seite das Ultraschallbild eines Babys und auf der anderen ein paar kitschige Worte wie: »Hallo Daddy!«
Mit breitem Lächeln sah er mich an. Und noch ehe er etwas sagen konnte, verkündete ich: »Es wird ein Mädchen.«
»Natürlich!«, antwortete er lachend. »Richtige Männer kriegen Mädchen.«
Ich war überglücklich. Als ich abends in den schützenden Armen meines Mannes einschlief, wusste ich, dass unser kleines Mädchen bei mir gut aufgehoben war und sich in Ruhe darauf vorbereiten konnte, zu uns zu kommen.
Mein Abschlussfilm war endlich fertig und konnte zur Abnahme angemeldet werden. Es war Dezember 1996 . Ich war wieder für einige Wochen in Berlin, und jeden Abend, wenn wir telefonierten, fragte Ian ungeduldig, wann ich denn wieder nach
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