Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
gell, wie der schon dreinschaut«, sagte der Maurus, auf den Maxl zurückkommend, »der Eugen ist viel lustiger. Den mag der Vater auch viel lieber.«
    »Aber der Eugen ist auch noch nicht beim Militär gewesen«, meinte ich, doch die Emma warf ziemlich herabmindernd hin: »Hm, beim Militär! Wenn die alle so werden wie der Maxl, dann kann’s nicht recht schön sein dabei!«
    »Glaubst du, daß da eine Kugel durchgeht?« fragte der Lenz, die Dicke des Litewka-Stoffes prüfend.
    »Ja, leicht … Wenn’s Eisen wär’, nachher vielleicht nicht!« erwiderte der Maurus.
    »Geh! Laßts das Zeug stehen, sonst schimpft er«, warnte die Emma jetzt, weil der Gsottschneidemaschine ihr Surren auf einmal nicht mehr zu hören war. Wir gingen wieder auf unsere Plätze, als hätten wir etwas Verbotenes getan. Wir hatten das unbestimmte Gefühl, als wäre mit dem Maxl ein feindseliger Fremder in den Frieden unseres Familienkreises eingedrungen. –
    Wir brauchten aber, obgleich wir merkten, daß uns der Maxl keine Sekunde untätig sehen wollte, in den nächsten Tagen doch nicht in der Konditorei mithelfen. Sie mußte erst eingerichtet werden. Indessen dieses Mithelfen, das er angekündigt hatte, war uns fast wie eine Drohung vorgekommen. Zunächst kümmerte sich der Maxl wenig um uns, dennoch wichen wir ihm aus, wo es ging. Er besprach mit dem Vater allerhand, und der hatte nichts gegen seine Vorschläge. Die beiden verharrten gegenseitig in einer gewissen kühlen Sachlichkeit. Der Maxl saß öfter in der guten Stube und machte sich an die Buchhaltung, die Eugen eingerichtet hatte und um die sich seither niemand mehr kümmerte. Auch das genierte den Vater nicht weiter.
    »Naja«, sagte er ziemlich gleichgültig, »was du zur Konditorei brauchst, das mußt du eben anschaffen und machen lassen. Bis zum Sommer ist ja noch Zeit.« Der Maxl ging zum Schreiner und ließ einen großen Konditortisch, einen Schrank und einige Truhen machen. Aus München bestellte er Geräte. Er war in den ersten Wochen meistens unterwegs, und wir sahen das nicht ungern. Manchmal besuchte er entfernt wohnende Regimentskameraden und blieb oft über Nacht aus. Im zivilen Anzug sah er noch eckiger als früher aus und stach unvorteilhaft gegen den eleganten Eugen ab. Sein inzwischen dichter gewordener, kurz geschorener Bart machte das lange, hagere Gesicht nicht freundlicher. Sein Lachen glich stets einem schadenfrohen Grinsen. Vielleicht aber versteckte sich dahinter eine Unsicherheit.
    »Na, du könntest auch bald heiraten! Alt genug bist du schon lang!« sagte er einmal zur Theres. Die aber antwortete abweisend: »Hab mich doch du gern mit deinen Ratschlägen … Ich weiß selber, was ich will.«
    »Naja, wenn du mit dem Brotausfahren eine alte Schachtel werden willst – deine Sache!« warf er hin. Diese derbe Tonart hatte er sicher beim Militär gelernt. Es mochte aber auch sein, daß er dadurch den anderen abzustoßen versuchte, um weitere Gespräche zu vermeiden.
    Einmal brachte er einen Kameraden mit, der über Nacht und einen ganzen Tag bei uns blieb. Es war ein gedrungen gebauter Mensch mit einem gedunsenen, dummen Gesicht, kleinen Augen und einem aufgedrehten Bärtchen. Max und er machten fortwährend zweideutige Witze, und der Fremde schielte dann auf die Theres, die seine Blicke verächtlich erwiderte. Nach seiner Abfahrt sagte der Maxl während des Abendessens: »Der ist bei uns Unteroffizier gewesen und wär’ beim Militär weit gekommen, wenn er daheim nicht das Geschäft übernehmen müßt’ … Eine ganz moderne Kunstmühle haben sie daheim.« Die stets gewaffnete, streitsüchtige Theres verstand sehr wohl, daß das ihr gegolten hatte, und warf wieder so grob und keck hin: »Deinen schönen Jüngling kannst du dir samt seiner Kunstmühle einrahmen lassen!« Der Maxl tat, als habe sie ihn nicht gemeint. Den Vater aber freute diese scharfe Schlagfertigkeit der Theres, und er sagte: »Wenn einer beim Militär was gewesen ist, das sagt noch lang nicht, daß er im Leben was taugt. So was muß sich erst herausstellen.«
    Von da ab sagte der Maxl nichts mehr vom Heiraten und brachte auch keinen Kameraden mehr mit. Mit der Theres sprach er kaum noch. Im übrigen beschäftigten ihn jetzt auch andere Dinge. Der Mai war angebrochen. Der Maurus war aus der Schule gekommen, der Lenz rückte in die letzte Klasse auf, und die Konditorei war eingerichtet. Der Maurus, der ein ausgesprochenes Talent zum Zeichnen hatte, wollte insgeheim Kunstmaler werden,

Weitere Kostenlose Bücher