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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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bestimmen. Der Quasterl lerne überhaupt bei uns nie aus und sei ganz und gar überflüssig, ließ er einmal verlauten. So ein junger Kerl gehöre in die Welt hinaus.
    »Das ist meine Sach’!« rief der Vater gereizt, »vorläufig bin noch immer ich der Herr im Haus!«
    »So? … Hm!« machte der Maxl. Er bekam ein verschlossenes, kaltes Gesicht und ging früher vom Mittagessen weg. Wir sahen einander fragend in die Augen. Dem Vater war der Appetit vergangen. Verhaltene Wut kochte in ihm. Wir hörten den Maxl hinten am Backofen, auf dem Konditortisch herumwerken. Es war schon Sommer. Die inzwischen eingetroffenen Herrschaften bestellten öfter Kuchen und Konfekt. Unser Schulunterricht dauerte nur noch von acht Uhr früh bis zwölf Uhr mittags. Zunächst mußten wir dem Maxl höchstens einmal ein paar Handgriffe machen. Nur der ältere Maurus half ihm. Wir machten nachmittags unsere Bestellgänge oder halfen auf dem Feld mit.
    »Maurus! Los! Los, marsch!« schrie der Maxl laut und scharf. Der Gerufene wollte aufstehen.
    »Du bleibst sitzen, bis ’s Essen vorbei ist!« sagte der Vater. Der Maurus folgte zögernd. Wir fingen das gewöhnliche Schlußgebet an. Mittenhinein schrie der Maxl wieder. Der Vater wurde blaß. Unsere Mutter bekam ein angstvolles Gesicht. Nach dem letzten Wort sprang der Maurus auf und lief aus der Kuchl. Gleich darauf vernahmen wir ein hartes, abgehacktes Brüllen, ein unheilvolles Klatschen und Stampfen, und zwischenhinein klang das mehr giftige, als jammernde Schreien vom Maurus.
    »Was ist’s denn?« fuhr unsere Mutter auf, »um Gottes willen, was ist’s denn schon wieder?« Der Vater bebte, ergriff, noch ehe wir uns besinnen konnten, das lange Fleischmesser und rannte aus der Kuchl.
    »Ja, um Gottes-Himmels-Christi willen!« jammerte unsere Mutter laut auf. Wir alle liefen beklommen in den Gang hinaus und sahen etwas Schreckliches. Der Maurus lag blutüberströmt auf dem Pflaster und richtete sich langsam auf. Der Maxl hatte ihn losgelassen, hielt einen langen, dicken, völlig zersplitterten Holzlöffel in der Hand und rief dem auf ihn zustürzenden Vater höhnisch zu: »Geh nur her! Mit dir werd’ ich auch noch fertig!« Entsetzt war der Maurus aufgesprungen und warf sich mit der klagenden Mutter auf den wütenden Vater, der wild fuchtelnd das Messer schwang. Er stieß und schrie. Wir alle hängten uns an ihn und entwanden ihm das Messer. Der Maxl stand die ganze Zeit wartend da und sagte einmal kalt: »Laßt ihn nur her! Ich fürcht’ mich nicht!«
    Über unser Weinen und Schreien bellte der Vater: »Du Militärkerl, du saugrober! Du Hund, du! Du Schuft, du dreckiger! Du Lausbub, du rotziger!« Immer wieder versuchte er, sich aus unserer Umklammerung loszuwinden. »Du Tropf, du niederträchtiger! Du wilhelminischer Saukopf, du! … Du – du –« Seine Stimme spaltete sich. Schaum trat auf seine blaugewordenen Lippen. »Du Metzgergsell, du ausgschamter! Du – –« Wir drängten den Tobenden mit vereinter Kraft in die Kuchl. Er sackte erschöpft auf das Kanapee und schnaubte fliegend. Die unausgetobte Wut arbeitete in ihm.
    »Ich bleib’ nicht mehr daheim! Nein, ich mag nicht mehr!« rief der blutende Maurus.
    »Das will er ja bloß, der Saukerl, der elendige! Alle will er forttreiben!« stieß der Vater noch einmal heraus, schnellte plötzlich in die Höhe, ließ sich Hut und Stock geben und ging ins Wirtshaus. Der Maxl war, wie wir später entdeckten, in seine Kammer hinaufgegangen und hatte in sein Militärbuch hineingeschrieben: »Heute hat mich Vater einen Lausbuben geheißen, nie vergessen!« Erst tief in der Nacht kam der Vater mit einem schweren Rausch heim, und so ging das jetzt oft und oft.
    Die Düsternis zog in unser Haus. Vater und Max redeten kein Wort mehr miteinander. Sie konnten sich nicht mehr ansehen. Auch am gleichen Tisch wollte der Vater nicht mehr mit dem »Militärkerl« sitzen. Und beständig lebte unsere Mutter in der bangen Spannung vor einem neuerlichen Ausbruch. Sie wußte sich nicht mehr anders zu helfen: Sie stellte dem Vater das Essen auf den eschernen Tisch in der Kuchl, und wir anderen mit Max aßen von da ab in der Stube. Und jedesmal, wenn das geschah, murrte der Vater in sich hinein: »Jaja, ich bin halt im Weg … Jaja, verrecken soll ich halt!« Sie sagte nichts und schaute ihn nur ab und zu ohnmächtig an.
    Jeder haßte und fürchtete den Maxl. Wenn er wo auftauchte, brach uns das Wort ab. Es breitete sich aber auch eine allgemeine

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