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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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dargereichten Korb, und der Wiesmaier füllte die Brotteller auf den Tischen.
    »Das ist ja ausgezeichnet! Prachtvoll! Und wie schön rösch! Und doch weich! Großartig!« rief der Leibdiener, eine Semmel verzehrend, und wandte sich herablassend an den Maxl: »Der Starnberger Bäcker bringt so was nicht fertig. Drum hat er auch kein Glück gehabt, aber dies Brot kann man ja direkt Seiner Majestät empfehlen! Prosit, Herr Bäckermeister! Auf gut Glück!« Das klang wie Musik in Maxls Ohren. Er wußte zwar von den Bemühungen des Starnberger Bäckers, aber er kannte den Grund seines Mißgeschicks nicht. Er merkte sich jedes Wort genau und schaute dankbar in das runde, glattrasierte Gesicht des Leibdieners. Er war hochrot und verlegen geworden und konnte nichts sagen. Als der Wiesmaier das Geld hinzählte, wurde er sicherer. Er faßte sich vollends, setzte das beste Gesicht von der Welt auf und sagte im Hinausgehen: »Besten Dank, die Herren! Und beehren Sie mich wieder! Grüß Gott, die Herrschaften!«
    Als er im Freien stand, holte er kurz und tief Atem. Sein Herz schlug schneller. Er begriff, was er zwar wußte, aber nie zu hoffen gewagt hatte: er war der Erste auf diesem Platz, der Starnberger hatte sich nie weiter um das Ostufer des Sees gekümmert; jeden Tag frische Semmeln und neues Schwarzbrot waren hier unbekannt, waren wahrhaft eine Rarität. Das Gefühl einer guten Zukunft dämmerte in ihm auf, als er weiterging. Jede Unsicherheit des Anfangens wich. Ohne Scheu suchte er die Kabinett-Villa auf, und sogar der Hofgärtner, dessen Geiz bekannt war, wog einen Wecken in der Hand und kaufte ihn.
    Der Maxl kam wieder den Berg herauf, nahm die zu Hause noch vorhandenen Semmeln mit und wanderte nach Leoni. Seine Ahnungen täuschten ihn nicht. Mit wahrer Freude nahmen ihm die Herrschaften das Brot ab, und schnell wurde sein Korb leichter. Als er auf dem Bauplatz der Kastenjakl-Villa ankam, empfingen ihn die Maurer, die gerade beim Mittagessen zusammen saßen, wie einen alten Bekannten. Jeder hatte schon mit ihm getrunken.
    »Oj-oj-oj!« grunzte der dicke Öttl-Hans, packte einen Wecken und schnitt ihn gleich an: »Da schau her! Der Maxl wird ein ordentlicher Mensch! Schau, schau! Respekt!« Ein anderer probierte eine Semmel und schrie: »Ja, das ist ja die reinste Herrschafts-Mehlspeis’!« Alle kauften. Die Kreuzer klimperten in Maxls Hosentasche. Als er weiterging, raunte ihm der Kastenjakl zu: »Nur nicht zuviel hoffen. Vorläufig sind sie bloß neugierig auf dein Brot.« Der Maxl aber erwiderte zuversichtlich: »Probieren geht über Studieren, und riskieren muß man überall was!« Er marschierte mit schnellen Schritten den Hügelweg hinan, und in Aufkirchen trat er schon bedeutend selbstbewußter in die Finksche Postwirtschaft. Er stellte seinen leichtgewordenen Korb hin und antwortete dem Wirt auf die Frage, was er denn am hellichten Werktag bei ihm wolle, mit schlagfertiger Keckheit: »Eine Hand wäscht die andere! Bis jetzt hab’ ich dir genug Bier weggesoffen! Jetzt mußt auch du mein Brot nehmen, da!» Die ganze Familie Fink kam in die Wirtsstube und betastete neugierig das Brot. »Und wieviel nimmst du?« fragte der Maxl, und wenn er auch nicht wußte, wer das bei ihm essen wollte, der Fink nahm doch schließlich einen Wecken und für jeden eine Semmel.
    Draußen, vor der Tür der Metzgerei, stand die Heimrath-Resl mit einem unruhig herumspringenden Schlachtkalb, das der Fink vor einigen Tagen in Aufhausen gekauft hatte. Der Maxl lachte ihr breit entgegen und ging rasch auf sie zu. Es genierte ihn gar nicht, daß das erschreckte Kalb noch wilder herumsprang.
    »Resi?« rief er und griff in seinen Korb, »da schau! Die paar Semmeln hab’ ich eigens für dich aufgehoben! Da! Magst sie?« Offen schaute er in das straffe, sonngebräunte Gesicht der Resl. Die aber fand zu nichts mehr Zeit. In diesem Augenblick riß sich das Kalb los und rannte in stelzigen Sätzen über den Platz und auf die abschüssige Wiese vor der Postwirtschaft. Der Maxl stellte schnell seinen Korb auf den Boden und lief der Resl nach. Die stolperte und fiel in gestreckter Länge hin. Beinahe wäre er über sie gefallen, konnte gerade noch ausweichen und rannte weiter, ohne sich um sie zu kümmern.
    »Damischer Tropf, damischer!« schimpfte die Resl verärgert, richtete sich rasch auf, wischte mit den Händen über den dickverstaubten Rock und sah und hörte nicht, wie die Finks, die vor die Türe getreten waren, hellauf lachten. Mit

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