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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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heiteren Trotz und die überlegene Intelligenz, die ihr Instinkt witterte. Darum suchte sie Verbündete gegen ihn und war nicht wählerisch in den Mitteln. Darum erwartete sie Lorenz’ Heimkommen mit Ungeduld. Dieser Bruder schien ihr brauchbar zu sein. Er war ein etwas stumpfer, ruhiger, gutmütiger und vor allem ein sehr starker Mensch, der sich im Notfall stets auf seine Körperkraft verließ. Ihn zu lenken konnte nicht allzu schwer fallen. Es kam nur darauf an, ihn von Anfang an entsprechend heftig zu beeinflussen. Indessen die Stasl erlebte eine arge Enttäuschung. Der Lorenz, dem seit jeher alles Streiten zuwider gewesen war, wollte nichts wissen von dem häuslichen Hader. Er sah, daß die Not daheim nur noch größer geworden war, und wollte schnell etwas verdienen. Schon vor seiner Militärzeit hatte er als Zimmermann gearbeitet, der Dienst bei den Ingolstädter Pionieren war ihm fachlich zugute gekommen, und jeder Mensch kannte seinen Fleiß. Noch dazu war er selbst mit dem wenigsten zufrieden. Der Maxl kam gut mit ihm aus, und auch er hing an seinem Bruder. Zunächst holte der Kastenjakl den Lorenz, daß er ihm die Zimmerer-Arbeiten auf seinem Bau mache. Der Maxl sah das nicht gern, aber er konnte nicht recht dawider sein, denn der Kastenjakl, der endlich wieder durch irgendeine geschickte Machenschaft Geld bekommen hatte, drängte darauf, seine Villa fertigzustellen, und war in letzter Zeit meist übellaunig. Jedesmal, wenn er in Berg auftauchte, zitterte der Maxl innerlich davor, er möchte am Ende um die Einlösung seiner fünfhundert Gulden anhalten. Zum Glück tat er’s nie.
    Nach Feierabend half der Lorenz seinem Bruder und fügte das Gebälk des Dachstuhls zusammen. Der Maxl bezahlte ihn trotz allen Dawiderredens wie jeden Fremden und erfuhr dabei, daß der Kastenjakl ein schändlicher Knauser und Ausnützer sei, aber er verbarg seine Empörung und tröstete den Lorenz, indem er sagte: »Er hat auch schwer zu kämpfen, der Anders. Er ist sonst nicht so! Ich wett’, wenn er seine Villa gut verkauft, daß er an dich denkt!« Der Lorenz sagte nichts darauf. Er nickte nur ein paarmal. Schließlich, als weder beim Kastenjakl noch auf dem Bäckereibau etwas zu tun war, fand der stille Mann durch die Empfehlung des Bauleiters Fischhaber bei der Sägemühle der Rambeckschen Bootswerft in Starnberg eine dauernde Beschäftigung gegen Taglohn. Er ging in aller Frühe aus dem Haus und kam erst nach Hereinbruch der Nacht zurück. Er war müde, verzehrte schweigend die paar kalten Kartoffeln, die übriggeblieben waren, oder er brachte sich ein kleines Stück sehr gepfefferter Blutwurst mit, wovon er etliche Rädchen für Vater und Mutter abschnitt. Er redete in seiner langsamen Art über die naheliegenden Dinge und Vorkommnisse und ging alsbald zu Bett.
    Der umfängliche Backofen wurde fertig, die neu angebauten Mauern schlossen sich an das Stellmacherhaus, die Dachdecker arbeiteten, und ein hoher Kamin krönte die vollendete Bäckerei von Max Graf. Der Irlinger kam etliche Male und war sehr zufrieden. Großzügig gewährte er eine dreimonatige Frist bis zur Begleichung der ersten Mehllieferung. Eines Tages stieg dicker Rauch aus dem stolz emporragenden Kamin, der Maxl arbeitete mit aufgeweckter, beflissener Eile in der funkelnagelneuen Backstube, und bald darauf roch es in weitem Umkreis nach frischgebackenem Brot. Die Nachbarn schnupperten erstaunt in die Luft. Am frühen Vormittag kam der Maxl mit erfrischtem Gesicht aus dem Haus und trug einen vollen Korb. Glänzende Wecken und knusperige Semmeln lagen darin. Hinter den Fensterscheiben standen die Dörfler und schauten ihm ungut nach. Er ging die ziemlich steil abfallende Dorfstraße, welche zum See-Ufer führte, hinunter. »Was? … Möcht’ der freche Kerl vielleicht gar unserm König sein lumpiges Brot verkaufen?« murrten die mißgünstigen Berger, doch sie irrten. Der erst siebenundzwanzigjährige Monarch hatte äußerst schlechte Zähne und pflegte nur weiches Weißbrot zu verzehren, das der reitende Bote jeden zweiten Tag aus München brachte. Der Maxl ging in die seit zirka einem Jahr eröffnete »Schloßwirtschaft« vom Karl Wiesmaier, wo das niedere Hofgesinde verkehrte. Den noblen Wirt kannte er seit einiger Zeit. Er schien ihm gewogen zu sein. Es ließ sich gut an, denn die Hofleute saßen eben beim zweiten Frühstück in der holzgetäfelten Gaststube. Jeder schaute gutwillig auf den eintretenden Bäcker, jeder nahm etliche Semmeln aus dem

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