Das Leben meiner Mutter (German Edition)
dürfen wir nicht haben! So was ist bloß für die feineren Leut’ …«, und mit spitzem Hohn setzte er dazu: »Aber die Nudeln sind gut, was? … Sie schmecken euch.« Die Stasl wurde hochrot und ging aus der Stube. Der alte Stellmacher schwieg und maß seinen Sohn in ohnmächtigem Grimm. Maxls Mutter malmte mit ihren zahnlosen Kiefern und schluckte trocken. Schon lange hatten sich alle Grafs miteinander verfeindet, jeder von ihnen stand gegen den Maxl, aber es war nicht zu verkennen, er mit seiner Zähigkeit gewann langsam das Übergewicht. Das mochte vielleicht daran liegen, daß er im Gegensatz zu allen im Hause der Not nicht nachgab und selbst in den schwierigsten Lagen mannhaft und zuversichtlich handelte. Im Grunde genommen nämlich war das, was er begonnen hatte, nichts anderes gewesen als eine völlige Auslieferung des väterlichen Besitzes an Fremde. Der Kastenjakl hatte ihm seinerzeit fünfhundert Gulden gegen die Bürgschaft seines Anteils am Stellmacherhaus geliehen und suchte nun schon monatelang eine Belehnung seines halbfertigen Baues auf dem Leoni-Acker. Sollte es ihm einfallen, sein Geld zurückzuverlangen, so fing der Bankrott schon an. Zum zweiten war der Kastenjakl auch auf die Idee gekommen, den Maxl damals, als er zu ihm um Rat und Hilfe gekommen war, zu fragen, ob dieser nicht irgendeinen Kriegskameraden in der Stadt habe, der ihm in der Beschaffung einer Bankhypothek behilflich sein könne. Der Maxl erinnerte sich auch, fand nach einigem Herumsuchen und brieflichen Anfragen einen gewissen Irlinger in München, der in seiner Kompanie gewesen war, und der glückliche Zufall wollte es, daß dieser Mann Mehlreisender für zwei große Münchner Kunstmühlen war. Gegen das schriftliche Versprechen, daß der Maxl nach Eröffnung seiner Bäckerei das Mehl ausschließlich durch ihn beziehe, versuchte der Irlinger, ihm zu einer Bankhypothek in Höhe von zweitausend Gulden zu verhelfen. Gewiß hatte der siegreiche Krieg viel Geld ins Land gebracht. Es wollte wirken, es suchte sich schnell und mühelos zu vermehren, es floß als ergiebiger Kredit in alle möglichen Kanäle, nährte Vermittler und förderte gewiegte Spekulanten, es schuf neuartige, weitverzweigte Handelsunternehmungen und verhalf einer teils ins Stocken geratenen und teils erst entstehenden Industrie zu raschem Aufschwung. Allein es fand nur langsam seinen Weg zum kleinen Mann, dem die Gewiegtheit abging und der außer seiner Tüchtigkeit kaum eine Bürgschaft bieten konnte.
Bitter schwere, demütigende Verhandlungen begannen damals für den Maxl. Es half nichts anderes als allen Jähzorn zu ersticken, jeden Stolz zu vergessen und Herz und Nerven beständig im Zaum zu halten. Anfänglich sah seine Sache völlig hoffnungslos aus, denn die Sachverständigen der Bank, die das armselige Stellmacherhaus eines Tages besichtigten, erregten nicht nur unliebsames Aufsehen im Dorf und Ärger im Haus, ihre Erkundigungen über Maxls Vertrauenswürdigkeit zeitigten nichts Gutes für sie. Sie waren nicht wenig empört über die Dreistigkeit des zukünftigen Bäckers von Berg, der etwas belehnen lassen wollte, das noch nicht einmal ihm gehörte. Sie errechneten die Winzigkeit, die ihm nach der Übergabe des elterlichen Anwesens und nach der Hinausbezahlung der Geschwister verbleiben würde, und die Bank gab einen abschlägigen Bescheid. Sie blieb unzugänglich. Der Maxl war fürs erste ziemlich ratlos. Wut und Weh kochten in ihm, und nichts durfte er zeigen. Das Gerede der Seinen und der Dörfler zermürbte ihn, er wollte niemanden triumphieren lassen und mußte den Zuversichtlichen spielen. Endlich wußte der gewitzte Irlinger doch einen Ausweg: der Maxl bot der Bank als Sicherheit seine Kriegspension und erhielt tausend Gulden. Diese Summe reichte nicht hin und nicht her. Insgeheim verpfändete der Maxl dem Irlinger alles, was ihm nach dem Ableben der Eltern verbleiben sollte und verschwieg wohlweislich, daß er bereits dem Kastenjakl das Anrecht darauf gegeben hatte. Irlinger ließ sich überreden und gab gegen einen etwas höheren Zins noch ein persönliches Darlehen von fünfhundert Gulden.
Wie es der Maxl nun auch ansehen mochte, er stand buchstäblich nach alledem im verzehrenden Nichts und konnte, wenn es offenbar wurde, sogar als gemeiner Schwindler ins Gefängnis kommen. Und warteten nicht alle schadenfroh darauf, daß dieses schlimme Ende über ihn hereinbreche?
Indessen er baute und wagte. Er zeigte nie, was ihn plagte. Ausgehungert
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