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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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herabminderndes Schimpfen und Raunzen schreckte die Burschen nicht. Sie überhörten das Schelten, hingen gutmütig einen kecken Spott daran oder stellten sich dumm. Ganz Schlaue spielten auch die Teilnahmsvollen, fingen von den schlechten Zeiten zu reden an, erwähnten vorsichtig und nebenher das Mißgeschick, das der Genovev widerfahren war, und verloren einige gut abgetönte, aber wenig schmeichelhafte Worte über den Blasl-Peter, der sich genau wie Genovev bei solchen Gelegenheiten nie sehen ließ. Ungeschickterweise geschah es dabei manchmal, daß das Neugeborene in der Kammer droben aufplärrte. Die Burschen hörten es, und die Bäuerin schwieg verdrossen. Die lustigen Besucher blinzten den herumsitzenden Töchtern verstohlen zu, grinsten unvermerkt und setzten sich auf die Ofenbank in der rußigen Kuchl. Nach und nach taute man auf und trieb allerhand arglose Späße. Die streitbare Spannkraft der Bäuerin ließ nach. Sie wurde müde, hin und wieder nickte sie auch kurz ein. Vielleicht war auch jene lähmende Gleichgültigkeit über sie gekommen, die einen Menschen befällt, wenn er fühlt, daß die Umstände stärker sind als er.
    »Herrgott, schon wieder der plärrmäulige Bäcker-Maxl!« stieß die Resl meistens heraus, wenn sie diesen unter den anderen Besuchern im Türrahmen auftauchend erblickte. Recht derbe Antworten gab sie ihm auf seine Fragen. Doch ernsthaft war es nicht gemeint. Zweideutige Hintergedanken kannte sie nicht. Sie behandelte den Maxl nicht recht viel anders als die sonstigen Burschen. Er war ihr gleichgültig. Nur das eine mußte sie zugeben, wenn die Rede darauf kam: er tanzte gut und hatte dabei mehr Ausdauer als die meisten.
    Wie überall, wo junge Leute zusammenkamen, so war es auch in Aufhausen. Von den Neuigkeiten in der Pfarrei kam man auf die Liebschaften und Heiraten zu sprechen. Die Burschen linsten mitunter dreist und abschätzend auf die Heimrathtöchter. Die eine verstand, was damit gemeint war, die andere wieder nicht.
    »Bis dich eine nimmt, Bäcker-Maxl, da wird’s auch lang hergehn!« warf die Resl hin und maß diesen mit einem schiefen Blick, »da kriegt eine einen sauberen Tropf! Saufen und Plärren ist deine einzige Kunst!«
    »Und ein schönes Brot mach’ ich! Das hast du wieder vergessen, Resl!« lachte der ungetroffene Maxl, »mein Brot frißt sogar der König!«
    »Ha! Das weiß er vielleicht gar nicht!« gab ihm die Resl hinaus. Da setzte der Maxl ein spöttisch warnendes Gesicht auf, hob den Zeigefinger und sagte: »Aber! Aber Resl? Resei!! … Das ist ja die reinste Majestätsbeleidigung! Wenn ein Mensch einmal König ist, dann muß er doch alles wissen!« Er lächelte verschlagen.
    »Hm!« machte die Resl ebenso, »Mundwerk hast du ein gutes! Nichts bringt dich in Verlegenheit, du vorlauter Tropf, du!« Der Maxl musterte sie unentwegt.
    »Ja Herrgott! Du tust ja gerad, als wie wenn jeder Mensch König werden kann! Das ist ja erst recht eine Majestätsbeleidigung! Eine ganz unverschämte!« rief ihm der laute, flachshaarige Daiser Hans zu, der auch den Krieg mitgemacht hatte und in Leoni, beim Hornig, Hausmeister war. Wegen seiner großen, schlanken Figur und auch deshalb, weil er noch immer den besten Paradeschritt machen konnte, trug er bei Umzügen und Begräbnissen die reichbestickte, seidene Fahne des »Veteranen- und Kriegervereins«. Er war Maxls liebster Kamerad, denn er verstand es ausgezeichnet, jene geräuschvollen, gefährlich aussehenden und doch so harmlosen Wirtshausstreitigkeiten mit ihm anzufangen, die die alten Bauern stets so ärgerten und die eigene Tischrunde so belustigten. Auch die Heimrathtöchter ließen sich vom Daiser täuschen. Erfreut merkte es der Maxl.
    »Ein König ist auch bloß ein Mensch wie wir!« schrie er dem Daiser zu, »nackt ist er nackt, und –«
    »Was? Was, du elendiger Knochen, du!« polterte der aufspringende Daiser und schaute mit drohender Strenge auf seinen Kameraden, »du kleines bißl Semmelpatzer, du windiger?! … Morgen meld’ ich dich bei der Gendarmerie, wart!« Die Heimrathin war aufgeschreckt. Die Töchter starrten gespannt auf die Streitenden. Es stockte. Resolut stand die Bäuerin auf.
    »Jetzt wird’s mir aber zu bunt! Marsch! Marsch! ’naus mit euch! ’naus!« schimpfte sie, »’naus, sag ich!« Die Burschen machten sich aus dem Staub.
    Am Nachmittag des andern Tages kam der Maxl zufällig beim Heimrath vorüber. Er hatte seine Schnupftabaksdose vergessen gestern, meinte er, und er wollte

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