Das Leben meiner Mutter (German Edition)
launisch und starrköpfig. Es kostete den Maxl Nerven und Geduld, ihre aufdringliche Vorteilsbedachtheit, ihre Kleinlichkeit und ihr Mißtrauen immer wieder zu besänftigen. Wegen jeder Winzigkeit konnte sie hartnäckig streiten und blieb unnachgiebig rechthaberisch selbst dann noch, wenn man ihr schon längst nachgegeben hatte. Bruder und Schwester schienen sich ständig in gewaffneter Feindschaft gegenüberzustehen, aber zunächst sah die Stasl wohl ein, daß sie den Maxl brauchte wie er sie.
»Stasl, so laß doch endlich ein vernünftiges Wort mit dir reden!« sagte der Bruder zu ihr, als sie wieder zankten. »Du bist doch nicht allein da! Die Kathl und der Lorenz wollen doch auch ihr Sach’ … Und wenn ich jetzt einfach den Akker verkauf’ oder unser Holz –«
»Was die Kathl und der Lorenz machen, geht doch mich nichts an!« fiel ihm die Stasl ins Wort, »die heiraten ja noch nicht!«
»Jaja! Jaja! Aber sie haben doch genau das gleiche Recht wie du!« erwiderte der Maxl und schaute auf den stumm daneben sitzenden Voshank. Er blickte hin und schien den rechten Gedanken zu haben.
»Ich mach’ dir einen Vorschlag, Stasl … Ich sag’s zu euch zwei! … Wenn du warten willst, Stasl, bis ich aus’ m Gröbsten bin, kriegst du hundert Gulden mehr – oder –« Er hielt inne. Dann sagte er: »Wenn du dein Geld auf der Stell’ willst, gut, nachher geb’ ich dir jetzt gleich die Hälfte, und wenn ihr in Amerika seid, schick’ ich das andere. Vielleicht – wer kann denn das wissen in so einem fremden Land? – tut’s euch dann sogar recht gut!«
»Ich will einfach jetzt einmal haben, was mir zusteht! Handeln lass’ ich nicht mit mir!« zankte die Stasl; doch der Maxl überhörte sie und fragte den Voshank: »Und was sagst du dazu, Voshank?« Der Angesprochene schnaubte kurz, schaute irgendwie überrascht drein und brummte nickend: »Gleich die Hälfte? Nu slawa! ... Wollen wir bald wegfahren!«
»Da hörst du es! Er hat ein Einsehn! Er ist eben ein Mannsbild!« rief der Maxl, und die Stasl warf einen fast verächtlichen Blick auf ihren Voshank, stand auf und sagte weniger gereizt: »Was fragst du denn da ihn? Es geht doch um mein Geld! Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen! Ich sag’ dir bloß eins – lang wart’ ich nicht mehr! Ich mag einfach nicht mehr!« – Jedenfalls war wieder alles für eine Weile eingerenkt und aufgeschoben. Mehr wollte der Maxl nicht. Er sah ein, dieser Zustand war auf die Dauer nicht zu ertragen. Er mußte auf irgendeine Weise aus der Welt geschafft werden. Es fragte sich nur, wie dies am leichtesten zu bewerkstelligen war.
Der Maxl tauchte jetzt wieder öfter als sonst in den Wirtshäusern auf und versäumte keine Kirchweih in der Gegend. Ganz anders als früher wurde er überall aufgenommen. Das tat ihm wohl. Er hatte sich Achtung erkämpft. Er galt halbwegs als ebenbürtig. Nur die wenigen noch starr am Althergebrachten festhaltenden Bauern brachten ihm ein verschwiegenes Mißtrauen entgegen und blieben unzugänglich. Die Jungen, die Kleinhäusler und die neu hergezogenen Handwerker freuten sich an seiner Lustigkeit. Zudem hielt man ihn auch schon für einen Mann, der durch eigene Tüchtigkeit sichtlich wohlhabend geworden war, und er bestärkte diesen Eindruck, wo immer er nur konnte. Beim Wiesmaier und beim Klostermaier zahlte er nicht selten Freibier für seine laute Tischrunde, und – was man anfangs ein bißchen befremdlich, nach und nach aber nett fand – er brachte, wenn er als Kirchweihgast zu einem Bauern kam, frische Laugenbrezen oder Semmeln mit, die er großzügig verteilte. Er trank viel und gern, immer fiel ihm etwas Neues ein, wenn die Heiterkeit zu erlahmen drohte, und die Geschichten aus dem Krieg, die er erzählte, die unbekannten Lieder, die er sang, fanden zuweilen begeisterten Beifall. Alsbald wußten viele junge Leute Text und Melodie von ›Bei Sedan wohl auf den Höhen‹ und ›Es geht bei gedämpfter Trommel Klang‹, von ›Hoch vom Dachstein oben, wo der Aar noch haust‹, und wenn der Maxl anhub, fielen die Stimmen mit ein. Ein dröhnender Chorgesang war es zuletzt. Die Wände und Fenster schienen zu erzittern. Neuerdings war es auch üblich geworden, daß die unverheirateten Männer an den Sonntagnachmittagen oder -abenden, nach der Stallarbeit, zu zweit oder viert auf jene Bauernhöfe kamen, wo ledige Töchter da waren. Mochte die Heimrathin solchen Besuchern auch noch so barsch entgegentreten, ihr ungutes,
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