Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
hielt den Einzug durch das Thor Beni Scheiba, welches noch das Heilige genannt wird. Wenige Tage nach seiner Ankunft traf Ali bei ihm ein. Derselbe war aus Yemen zurückgeeilt und brachte eine Anzahl Kameele zum Opfer mit sich.
Da diese Wallfahrt künftigen zum Muster dienen sollte, so beobachtete Mohammed streng alle Gebräuche, welche er zufolge patriarchalischen Herkommens beibehalten, oder einer Offenbarung gemäß eingeführt hatte. Er war zu kraftlos und siech, um zu Fuße gehen zu können, deshalb bestieg er sein Kameel und machte auf diese Weise die Umgänge um die Kaaba wie die Hin-und Herwanderungen zwischen den Hügeln Safa und Merva. Bei der Opferung der Kameele schlachtete er dreiundsechzig mit eigener Hand, nämlich eins für jedes Jahr seines Alters, und Ali schlachtete zu derselben Zeit siebenunddreißig auf eigene Rechnung. Mohammed schor sich hierauf das Haupt, indem er auf der rechten Seite anfing und auf der linken endete. Die abgeschnittenen Locken wurden unter seine Schüler gleichmäßig vertheilt und als heilige Reliquien (Ueberbleibsel) aufbewahrt. Khaled trug nachher stets eine auf dem Turban und behauptete, daß sie ihm eine übernatürliche Stärke in der Schlacht verliehe.
In dem Bewußtsein, daß die Lebenskraft in ihm dahinschwand, suchte Mohammed während des letzten Aufenthalts in der Heilgen Stadt seines Glaubens seine Lehren in die Gemüther und Herzen seiner Bekenner tief einzugraben. Zu diesem Zwecke predigte er häufig in der Kaaba von der Kanzel, oder unter freiem Himmel von dem Rücken seines Kameels herab. »Merket auf meine Worte«, pflegte er zu sagen, »denn ich weiß nicht, ob wir nach diesem Jahre uns jemals hier wieder treffen werden. O, meine Zuhörer, ich bin nur ein Mensch wie ihr; der Engel des Todes kann zu jeder Zeit erscheinen, und ich muß seinem Gebote gehorchen.« Hierauf pflegte er nicht allein Religionslehren und Gebräuche, sondern auch Regeln für das Verhalten in allen Verhältnissen des öffentlichen und häuslichen Lebens einzuprägen; und die bei dieser Gelegenheit aufgestellten und eingeschärften Vorschriften haben auf die Sittlichkeit, auf die Lebensweise und Gewohnheiten der ganzen moslemischen Welt einen umfänglichen und dauerhaften Einfluß ausgeübt.
Ohne Zweifel geschah es in Aussicht auf sein herannahendes Ende und aus Besorgniß um das Wohlergehen seiner Verwandten und Freunde nach seinem Tode und besonders seines Lieblings Ali, welcher bei der Führung des neulichen Feldzugs in Yemen, wie er bemerkte, Unzufriedenheit erregt hatte, daß er während eines Augenblicks starker Aufregung und Begeisterung unter den Zuhörern die Gelegenheit ergriff, an dieselben eine dringende Bitte in feierlicher Weise zu richten. »Ihr glaubet«, sagte er, »daß es nur Einen Gott giebt, daß Mohammed sein Prophet und Apostel ist, daß es wirklich ein Paradies und eine Hölle giebt, daß Tod und Auferstehung gewiß sind, und daß eine Zeit bestimmt ist, wo Alle, welche aus den Gräbern hervorgehen, vor ein Gericht gestellt werden.« Alle antworteten: »Wir glauben diese Sachen.« Hierauf beschwor er sie feierlich bei den Wahrheiten ihres Glaubens, seine Familie und besonders Ali immer zu lieben und in Ehren zu halten. »Wer mich liebt«, sagte er, »mag Ali als seinen Freund aufnehmen. Mag Gott diejenigen beschirmen, welche ihm Freundschaft erzeigen, und sie von seinen Feinden abwenden.«
Am Schlusse einer dieser Ansprachen, welche er unter freiem Himmel vom Rücken seines Kameels herab hielt, soll folgender berühmte Vers des Korans durch die Stimme Gottes selbst vom Himmel gekommen sein: »Unheil komme am heutigen Tage über diejenigen, welche ihre Religion verleugnet haben. Fürchtet sie nicht, fürchtet mich. Am heutigen Tage habe ich eure Religion vollendet und meine Gnade an euch erfüllt. Es ist mein gnädiger Wille, daß der Islam euer Glaube sei.«
Bei Anhörung dieser Worte, sagen die arabischen Geschichtsschreiber, fiel das Kameel Al Kaswa, auf welchem der Prophet saß, auf die Kniee zur Anbetung nieder. Diese Worte, fügen sie hinzu, waren das Siegel und der Schluß des Gesetzes, denn nach ihnen erfolgten keine weiteren Offenbarungen.
Nachdem Mohammed alle Gebräuche der Wallfahrt vollbracht und seinen Glauben vollständig dargestellt hatte, so sagte er seiner Geburtsstadt das letzte Lebewohl und trat, sich an die Spitze des Wallfahrtsheeres stellend, die Rückreise nach Medina an. Als er die Stadt zu Gesicht bekam, erhob er seine Stimme und
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