Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
dichterische, wenn nicht religiöse Begeisterung. Sie zeigen, daß er von dem lebendigen Wasser des Christenthums reichlich getrunken hatte, und wenn er es unterließ, dasselbe in seiner krystallenen Reinheit in sich aufzunehmen, so geschah es, weil er aus zerbrochenen Cisternen und aus Strömen trinken mußte, welche von denen, die ihre Wächter hätten sein sollen, getrübt und verdorben worden waren. Der Glaube, welchen er bis dahin verkündigt hatte, war reiner als der, welcher von einigen Namenchristen Arabiens dargeboten wurde, und sein Leben war bis zu diesem Zeitpuncte nach den Grundsätzen desselben eingerichtet gewesen.
Das ist unsere Ansicht von Mohammed und seinem Verhalten während der ersten Hälfte seiner Laufbahn, wo er ein verfolgter und ruinirter Mann in Mekka war. Eine augenfällige Veränderung, wie wir in den vorigen Capiteln gezeigt haben, trat nach der Flucht nach Medina ein, denn daselbst fand er statt bloßen Obdachs und Schutzes, was er suchte, die Verehrung eines Propheten, stillschweigend den Gehorsam eines Oberhaupts und sah sich an die Spitze eines mächtigen, wachsenden und kriegerischen Heeres von Gläubigen gestellt. Seit dieser Zeit geben irdische Gelüste und Pläne zu oft die Veranlassung zu seinen Handlungen statt jener schwärmerischen Begeisterung, welche sogar bei Mißgriffen den Schein der Frömmigkeit auf seine früheren Thaten warf. Die alten Lehren von Schonung, Langmuth und Entsagung werden plötzlich bei Seite gelegt; er wird rachsüchtig gegen diejenigen, welche ihn bisher unterdrückt haben, und begierig nach ausgedehnter Herrschaft. Seine Lehren, seine Gebote und sein Verhalten werden durch Widersprüche bezeichnet, und seine ganze Handlungsweise wird unregelmäßig und veränderlich. Seine Offenbarungen sind hinfort zu oft gelegentlich und einzelnen Vorfällen angepaßt, so daß wir zum Zweifel an seiner Aufrichtigkeit geführt werden, und er über dieselben nicht länger in Täuschung befangen ist. Auch muß man bedenken, daß die geschichtlichen Zeugnisse für diese Offenbarungen nicht immer zuverlässig sind. Was er vielleicht als eigenen Willen ausgesprochen hat, das mag man so verbreitet haben, als wenn er es als göttlichen Willen verkündigt hätte. Außerdem mochte er die eigenen Antriebe oft als göttliche Anregungen betrachten und wähnen, daß, da er zur Verbreitung des Glaubens berufen wäre, auch alle auf diesen Zweck gerichteten Einfälle und Beweggründe von einer fortdauernden göttlichen Eingebung herrührten.
Wenn wir weit entfernt sind, Mohammed für den groben und gottlosen Betrüger zu halten, als welchen ihn Einige dargestellt haben: so sind wir doch auch nicht geneigt, ihm rücksichtlich ungeheurer Entwürfe und jenes tief erwogenen Planes zu einer allgemeinen Eroberung Glauben beizumessen. Er war ohne Zweifel ein Mann von großem Geiste und fruchtbarer Einbildungskraft; aber es scheint uns, daß er des Anstoßes und der Aufregung bedurfte und der Gunst der Umstände Vieles verdankte. Seine Pläne wuchsen aus seinem Glücke, und nicht sein Glück aus seinen Plänen hervor. Er war vierzig Jahre alt, bevor er seine Lehren zum ersten Male aussprach. Er ließ ein Jahr um das andere verstreichen, bevor er sie außerhalb seiner Familie bekannt machte. Als er aus Mekka floh, waren seit der Ankündigung seiner Sendung vierzehn Jahre vergangen, und er war vom reichen Kaufmanne bis zum ruinirten Flüchtlinge hinabgesunken. Als er nach Medina kam, hatte er keine Vorstellung von der weltlichen Macht, welche ihn erwartete; sein einziger Gedanke war, eine dürftige Moschee, worin er predigen konnte, zu bauen, und seine Hoffnung, daß man ihn ungestraft predigen ließe. Als ihm plötzlich Macht zu Theil wurde, gebrauchte er sie eine Zeit zu unbedeutenden Streifzügen und örtlichen Fehden. Seine militärischen Pläne erweiterten sich mit seinen Hülfsmitteln, aber sie waren in keiner Weise Meisterstücke und bisweilen erfolglos. Sie waren weder mit Kühnheit entworfen, noch wurden sie mit Entschiedenheit ausgeführt, sondern sie wurden oft aus Nachgiebigkeit gegen die Meinung der bei ihm befindlichen kriegerischen Männer und bisweilen auf heimliche Rathschläge untergeordneter Geister, welche ihn manchmal irre leiteten, abgeändert. Hätte er in der That vom Anfange an den Entschluß gefaßt, die zerstreuten und sich bekämpfenden Stämme Arabiens zu einer Nation durch eine Glaubensbrüderschaft zu vereinigen zu dem Zwecke, den Plan auswärtiger Eroberungen
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